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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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hüttenähnliche Gebäude war in Wirklichkeit eine Herrentoilette?«
    »Da er zum ersten Mal einen der ältesten Freunde seines Großvaters traf, einen Mann, von dem er viel gehört hatte, umarmte Stefan mich natürlich und bedachte jede meiner Wangen mit einem freundlichen Kuß. Wir waren
puszipajtás
, verstehen Sie? Dann kniete Stefan nieder, um seine Aktenmappe zu öffnen. In diesem Augenblick traten zwei Polizisten aus einer Kabine, machten unangenehme Anspielungen und Anstalten, mich festzunehmen.«
    »Ist das ein Zeugma oder eine Syllepse?«
    »Es war eine Unverschämtheit und eine Ungezogenheit.«
    »Jedenfalls machten Sie es in einer Anstalt … aber Sie können ihnen kaum Vorwürfe machen. Ich meine, zwei Männer, die sich auf einer Toilette küssen, und dann kniet einer von beiden sich hin … was hatte er bloß vor?«
    »Es liegt mir auf der Zunge«, sagte Trefusis kalt.
    »Aha!«
    »Adrian, nach England zurück zu
laufen
dauert ziemlich lange. Ich schlage vor, Sie zügeln Ihren verdorbenen Sinn für Humor ein wenig.«
    »Es tut mir leid.« Adrian arretierte seine Kiefer.
    »Es ist möglich, das gebe ich zu«, fuhr Trefusis fort, »daß jemand, der über ein solches Tableau stolpert, versucht sein könnte, Spekulationen verderbter Art darüber anzustellen, doch nur, wenn sein Gemüt bereits voll vonso unanständigem und abscheulichem Kram ist, daß er selbst derselben Unschicklichkeit sich schuldig machen würde wie der schamloseste erotische Bösewicht im Lande. Stefan jedenfalls fand sich angesichts der Vorfälle völlig verdutzt. Zum Glück schaffte ich es, mich mit ihm auf ungarisch zu bereden, während wir auf den Streifenwagen warteten. Ich … äh … machte einen kleinen Auftritt, und er konnte seine Aktenmappe und ›die Flucht ergreifen‹, wie dann in den Zeitungen stand.«
    »Was für einen Auftritt?«
    »Einen Auftritt auf einem Abtritt. Ganz allgemein, verstehen Sie, einen Auftritt.«
    »Was für einen Auftritt?«
    »Ist das wichtig, was für einen Auftritt?«
    »Kommen Sie, Donald. Was für einen Auftritt?«
    »Also gut. Wenn Sie es unbedingt wissen müssen, ich stieß ein Kreischen animalischer Begierde aus und versuchte, den Beamten, der mich festhielt, seiner Hosen zu entledigen.«
    »Sie haben
was

    »Nun, ich bezweifle nicht, daß Ihnen ein Dutzend geeignetere Szenarien eingefallen wären, Adrian, aber unter dem Dach des Augenblicks war das alles, was mir einfiel. Ich plagte mich mit dem Hosenstoff des unglücklichen Menschen ab, und während sein Kamerad vorsprang, um ihn aus dieser argen Lage zu befreien, sah Stefan sich kurzfristig unversperrt. Er kehrte ins Shoulder of Lamb zurück, wo er den Artikel ließ, den zu übergeben er ausdrücklich gekommen war und den ich jetzt bei mir habe. Dann arrangierte Bob seine sichere Rückkehr nach Hastings.«
    »Ja, das hatte ich schon fragen wollen. Wie kommt es, daß Bob an dem Ganzen beteiligt ist?«
    »Bob ist ein Freund.«
    »Bletchley?«
    »Bob war zu seiner Zeit bei allen möglichen Sachen beteiligt. Die Japaner haben ihm die Zunge herausgerissen.«
    »Was?«
    »Ja, aber er spricht nicht davon.«
    »Haha, bescheiden ha. Sie haben mir
immer
noch nicht erzählt, wer der Feind ist.«
    Trefusis langte nach einem Haferkeks mit Feigen.
    »Feind?«
    »Ja. Feind. Die Leute, die uns in Deutschland überfallen und Ihre Aktenmappe gestohlen haben. Die Leute, die Moltaj umgebracht haben und uns«, Adrian verdrehte den Hals, »immer noch auf den Fersen sitzen.«
    »Also, es sieht so aus, als hätten wir zwei ›Feinde‹, Adrian. Moltaj wurde von einem Diener der Volksrepublik Ungarn umgebracht, daran besteht, glaube ich, gar kein Zweifel. Bélas Arbeitgeber haben nicht die Absicht, seine Erfindung außer Landes zu lassen.«
    »Und jetzt verfolgen sie uns?«
    »Nein, verfolgt werden wir von Feind Nummer zwei. Sie haben uns letztes Jahr in Deutschland bestohlen.«
    »Und wer sind sie?«
    »Nun«, sagte Trefusis, »ich hatte eigentlich gehofft, das könnten Sie mir sagen, Adrian.«

ELF
     
     

I
     
    Auf dem Flur stieß Rudi fast mit einem unglaublich fetten Mann mit kleinem Kopf und glattem Haar zusammen. Durch äußersten Einsatz von Balance und Koordination, die er auf den Skipisten Innsbrucks erworben hatte, vermochte Rudi das Unglück abzuwenden, sein Getränketablett fallen zu lassen, und setzte zitternd seinen Weg fort, beim Gehen die Grobheit und Umständlichkeit der Gäste verhalten verfluchend. Wahrscheinlich ein Musikjournalist, der zu

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