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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ein Mann in einem Savile-Row-Anzug und einer Krawatte vom St. Matthew’s College. Dickon Lister zwinkerte Adrian zu und verließ den Raum.
    »Hallo, Onkel David.«
    »Es ist nicht zu fassen, Adrian, einfach nicht zu fassen!«
    »Ich weiß wirklich nicht, inwiefern …«
    Onkel David bedeutete ihm zu schweigen.
    »Das ist es! Das muß es sein. Lillee ist ausgewechselt worden, daran
muß
es liegen.«
    »Was …«
    »Hast du nichts gehört?
Headingley
, Mann! Botham und Dilley haben gestern am achten Wicket einhundertsiebzehn zugelegt. Einfach nicht zu fassen. Und jetzt …« Er schlug sich begeistert auf die Schenkel. »Du wirst esnicht glauben, Adrian, aber Australien brauchte heute nur noch einhundertdreißig zu gewinnen, und sie sind von sechsundfünfzig am ersten auf fünfundsiebzig am achten gegangen. Willis hat sie überrannt wie ein Tornado. Was? Nein … Chilly, du
Fotze

    »Was ist los?«
    »Chris Old hat grade Bright fallen gelassen. Wach auf, Mann!« wetterte er das Radio an. »Im Wettzelt stand es fünfhundert zu eins gegen einen englischen Sieg, kannst du das glauben? Und wenn du und dein verfluchter Trefusis nicht wärt, dann wäre ich jetzt dort und könnte mir das aufregendste Länderspiel der Geschichte anschauen. Aber, o nein …«
    Er fiel wieder in Schweigen, wand sich und schnitt vor dem Radio Grimassen.
    Adrian setzte sich auf den Sofarand und starrte in den leeren Kamin. Aus Onkel Davids Ohrstecker hörte er ein schwaches Zischen. Langsam tickte eine Uhr auf dem Kaminsims. Adrian fühlte dieselbe schmelzflüssige Welle Schuld im Bauch, die er in der Vergangenheit so oft gespürt hatte. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wie die nächsten vierundzwanzig Stunden ausgehen würden, aber wußte, daß das Ergebnis schrecklich sein würde. Einfach schrecklich.
    Endlich stieß Onkel David einen lauten Schrei aus.
    »Geschafft, geschafft! Willis hat den achten für dreiundvierzig genommen! England hat gewonnen! Ha, ha! Komm, mein Junge, sei guten Muts! Wir lassen uns von Dickon Champagner bringen, was meinst du?«
    »Ich glaube, du solltest erst mal das hier lesen.«
    »Was ist das?« Onkel David nahm den Umschlag. »Eine bitte um mehr Geld, Ade?«
    Adrian sah zu, wie Onkel Davids Gesicht, während er den Brief las, einen Wandel von gütiger Gleichgültigkeit über Verwirrung und Ängstlichkeit bis zum Zorn durchmachte.
    »Verdammt! Verdammt sei er nach Spitzbergen auf ein Floß aus Kork. Wo ist er jetzt?«
    »Im Österreichischen Hof.«
    »Mit Pollux?«
    »Nein«, sagte Adrian. »Die Sache ist, Pollux war tot, als wir ankamen. Seine Kehle war … du weißt schon … wie bei Moltaj.«
    »Verdammte Scheiße. Polizei?«
    »Noch nicht. Da war allerdings ein Kellner, ich nehme also an …«
    »Verfluchte Scheiße, Hölle und Arschtitten.
Lister!
Wo zum Teufel ist der Mann, wenn man ihn braucht?
Lister!
«
    »Sir?«
    »Besorg dir Dunwoody in Wien. Sag ihm, er soll die Salzburger Polizei ruhigstellen, bald, gleich, sofort. Pollux ist abgemurkst worden im Österreichischen Hof. Suite?« Er schnippte in Richtung Adrian mit den Fingern. »Komm schon, Junge! Suite? Zimmernummer!«
    »Franz Josef hieß es, glaub ich«, sagte Adrian. Und nenn mich nicht
sweet
, fügte er in Gedanken hinzu.
    »Glaubst du? Hieß sie nun so oder nicht?« Onkel David rüttelte ihn an den Schultern.
    »Ja!« schrie Adrian. »Franz Josef.«
    »Hast du das, Lister? Volle Diplo-Persenning über das ganze verfurzte Chaos. Und einen Wagen für mich und den Lachknaben hier, der um Punkt achtzehn Uhr am Goldenen Hirsch ist. Du kommst besser gleich mit.«
    »Bewaffnet?«
    »Nein«, sagte Adrian.
    Onkel Davids rechte Hand schlug behäbig in Adrians Gesicht.
    »Gib meinen Männern keine Befehle, Ade, mein Schatz.« »Gut«, sagte Adrian und setzte sich wieder auf den Sofarand. »Tut mir leid.« Onkel Davids Siegelring hatte ihn über der linken Augenbraue verletzt, und er blinzelte, als ihm ein Blutstropfen ins Auge lief. Durch das Blinzeln schmerzte das Auge nur noch mehr und begann zu tränen, um das Blut fortzuwaschen. Onkel David nickte Lister zu. »Bewaffnet«, sagte er, »und zwar ein winziges bißchen gefährlich.«

ZWÖLF
     
     
    Am einen Ende des Schubert-Bankettsaals im Hotel Goldener Hirsch war ein kleines Podest errichtet worden, auf dem ein Stuhl und ein Tisch standen. Auf dem Tisch lagen ein Auktionshammer, eine Medizinflasche mit purpurroter Flüssigkeit, ein Papierkorb aus Metall, eine Schachtel Streichhölzer, zwei

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