Der Lügner
loszuwerden, daß ich, als sein ältester Freund außerhalb Ungarns, dann auf die eine oder andere Weise einbezogen werden würde.«
»Und das wurden Sie auch, mein Bester.«
»Wahr ist, daß Szabó mir letztes Jahr einen Brief schickte. Er schrieb, er wünsche, daß ich seine Dokumente abhole, die er in Salzburg versteckt hatte. Ich wurde gebeten, mich am siebten Juli um vierzehn Uhr in Mozarts Geburtshaus einzufinden, wo eine Kontaktperson mich vor einem Diorama des Gastmahls im
Don Giovanni
erwarten würde. Ich hege keinen Zweifel daran, daß Sie diesen Brief an mich abgefangen haben, Sir David. Und ganz zu Recht, ich kann mich nicht beschweren.«
»Wäre auch verflucht schlecht, wenn Sie das täten, Professor.«
»Nett gesagt. Und was geschah dann? Nun, Adrian, die Augen und Ohren von Sir David Pearce, begleitete mich zum Rendezvous. Mein Kontaktmann im Geburtshaus war ein Freund von Szabó namens Istvan Moltaj, ein Violinist, der offiziell wegen der Festspiele nach Salzburg gekommen war. So weit, so gut.«
»So weit, so offensichtlich.«
»Nun, dann vielleicht zu etwas weniger Offensichtlichem.«
Adrian fragte sich, warum dieses Treffen sich zunehmend in ein öffentliches Zwiegespräch zwischen Donald und Onkel David verwandelte.
»Ich frage mich, ob Sie, Sir David, je von Waltons drittem Gesetz gehört haben?«
»Egal, wie oft man schüttelt, der letzte Tropfen geht immer in die Hose?«
»Nicht ganz. Es war eine Konvention des
Secret Intelligence Service
zu Kriegszeiten. Wenn ein Treffen vorbereitet und seine Zeit nach einem Vierundzwanzig-Stunden-Schema anberaumt wird, heißt das, daß das Treffen dreiunddreißig Minuten vor der genannten Zeit stattfinden soll. Ich glaube, Adrian würde das Branchenstandard nennen. Entsprechend traf Moltaj mich an besagtem Tage nicht um 14 Uhr, sondern um 13 Uhr 27. Bei dieser Begegnung sagte er mir, wo die Mendax-Papiere zu finden seien. Sie sollten von mir hier im Goldenen Hirschen an der Rezeption abgeholt werden. Wenige Augenblicke,nachdem er mir das mitgeteilt hatte, wurde Moltajs Kehle von jemandem durchschnitten, der, wie ich annehmen muß, mit Waltons drittem Gesetz zum Glück nicht vertraut war. Wenige Tage später unternahm Ihr Mann Lister, unzweifelhaft aufgrund von Informationen, die er von Adrian erhalten hatte, einen ziemlich vulgären Versuch, mich auf einem Autobahnrastplatz in Westdeutschland um diese Papiere zu erleichtern.«
Sir David lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah sich zu Lister um, der immer noch an der Tür stand. »Waren Sie vulgär, Lister? Das höre ich nicht gerne. Kommen Sie nachher zu mir.«
»Vulgär und erfolglos. Ich hatte die Unterlagen hier gelassen. Ich wußte genau, daß Adrian nicht zu trauen war. Deswegen ging ich sicher, ihn immer an meiner Seite zu haben. War es nicht Don Corleone, der seine Freunde nah, aber seine Feinde noch näher hielt? Wie hätte Don Trefusis weniger tun können?«
Adrian öffnete den Mund, um etwas zu sagen, besann sich aber eines Besseren.
»Die technischen Mendax-Daten waren in einem Schließfach hier im Hotel sicher aufgehoben. Aber Szabó hatte außerdem eine funktionierende Mendax-Maschine gebaut, die er in zwei Hälften zerlegt und seinen Enkeln anvertraut hatte, Stefan und dem armen Martin. Stefan schmuggelte seine Hälfte in einem Radio hinaus, das einem anderen Mitglied seiner Schachdelegation gehörte, und überreichte es mir vor vierzehn Tagen in einer öffentlichen Toilette in Cambridge. Die andere Hälfte sollte mir Martin heute nachmittag im Hotel Österreichischer Hof geben, aber ihm wurde die Kehle durchgeschnitten, bevor er das konnte. Anscheinend hatte der Mörder mittlerweileherausgefunden, wie Waltons drittes Gesetz funktioniert. Das, meine Lieben, ist die kurzgefaßte Geschichte von Szabós Versuch, mir Mendax zukommen zu lassen. Gibt es irgendwelche Fragen?«
»Wenn Sie die gesamte Angelegenheit uns überlassen hätten, Daneben-Treffer-usis, hätte dieses ganze garstige Durcheinander vermieden werden können«, sagte Sir David.
»Da bin ich mir nicht so sicher. Ein Problem, das mich mächtig beschäftigt hat, ist der Mord an Moltaj. Er war ein unschuldiger Musiker, der für einen Freund eine Nachricht überbrachte. Wir haben keinen Grund zur Vermutung, daß er von Mendax wußte, keinen Grund anzunehmen, daß er für irgend jemanden eine Drohung darstellte. Die Ungarn sind heutzutage nicht mehr für ihr rohes Temperament in derlei Angelegenheiten bekannt – anders
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