Der Lügner
Idee. Fragen wir Golka. Oder vielleicht Florence Nightingale oder den Nabob von Bhandi-pur.«
»Nun, Golka?« fragte Trefusis. »Sie haben das Töten doch erledigt. Vielleicht können Sie uns sagen, auf wessen Befehl?«
Listers Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er verlagerte sein Gewicht vom rechten aufs linke Bein und schwieg.
Adrian spürte es in seinem Bauch wühlen. Vor zehn Minuten hatte er sich nicht vorstellen können, unter Wahrung seiner Integrität aus dieser Sitzung herauszukommen, jetzt begann er zu bezweifeln, daß er sie unter Wahrung seines Leben verlassen würde.
Simon Hesketh-Harvey hustete und hob vorsichtig die Hand.
»Ähm, Entschuldigung, Sir. Ich möchte nicht dämlich erscheinen, aber wollen Sie sagen, daß
Lister
Golka ist?«
»Oh, daran besteht gar kein Zweifel. Ich erkenne ihn nämlich wieder.«
»Mm. Er ist … aber nicht besonders
fett
, Sir?«
»Nein, natürlich nicht. Eine sehr auffällige Eigenschaft, nicht wahr, fett zu sein. Nicht gerade ideal, sollte man daher meinen, um erfolgreich jener Beschäftigung nachzugehen, die Golka sich erwählt hat. Aber sehen Sie, während ein fetter Mann sich niemals dünne machen kann, kann sich ein dünner Mann ohne weiteres fett machen.«
»
Auspolstern
meinen Sie, Sir?«
»Ganz recht. Sein Gesicht mag dann nicht ganz zur Korpulenz seines Körpers passen, aber schließlich ist es nicht ungewöhnlich, Männer zu sehen, die feister in Fleisch als Visage sind. Hab ich nicht recht, Mr. Lister?«
Lister sagte nichts.
Adrian starrte ihn an und versuchte sich vorzustellen, wo an dieser Person eine Pistole versteckt sein könnte. Oder sein Messer.
»Sind Sie völlig sicher, Sir? Ich meine …«
»Also, Herrgott noch mal!« explodierte Sir David, und seine Stimme brachte die Glöckchen der vergoldeten Porzellanstanduhr an der Wand zum Schlagen. »Sie arbeiten für
mich
, Hesketh-Pisser-Harvey! Sie reden
mich
mit Sir an, haben Sie kapiert? Sie ›sirren‹ nicht diesen Sack aus verfaultem Tweed. Sie ›sirren‹ mich!«
Simon drehte sich nicht um, um Pearce während dieses Ausbruchs anzusehen. »Wie Sie meinen, Sir«, sagte er teilnahmslos. »Sie halten es also für möglich, Professor, daß Sir David Golka eingestellt hat, um Mendax in seinen Besitz zu bringen?«
»Ja, weil er, glaube ich, auf eigene Faust operiert hat. Er will Mendax für sich haben. Als Ergänzung der bescheidenen Pension, die er von seinen Herren und Meistern zu erwarten hat. Hätte er Erfolg gehabt mit seinem Versuch, mich Mendax der Regierung Ihrer Majestät aushändigen zu lassen, dann hätte Golka, da bin ich sicher, die Übergabe platzen lassen und Mendax geraubt, anscheinend uns beiden. Es mußte so aussehen, als hätten die Ungarn gewonnen, verstehen Sie?«
»Das ist so dämlich von Ihnen, Donald«, sagte Sir David. »So absolut dämlich. Sehen Sie, wenn Ihre Analyse stimmt, habe ich bereits eine Hälfte von Mendax, die Hälfte, die Lister heute nachmittag Martin weggenommen hat. Es liegt auf der Hand, daß ich Sie wegen der anderen Hälfte behelligen würde.«
»Aber Sie haben keine einzige Hälfte von Mendax,David. Darum geht es ja gerade. Ich habe beide Hälften.« Trefusis sah auf die beiden Radioapparate vor sich auf dem Tisch hinab.
Adrian sah, wie Onkel Davids Augen sich in einem Anfall von Panik ruckartig zusammenzogen, bevor sie sich langsam zu einem Lächeln entspannten.
»Schlecht geblufft, Donald. Ganz schlecht geblufft.«
»Ich fürchte nicht. Sehen Sie, es gibt da noch etwas, was Sie und Lister oder Golka – was immer Sie bevorzugen – nicht wissen. Waltons
erstes
Gesetz.«
»Ach, Mist!« sagte Humphrey Biffen plötzlich.
Alle drehten sich um und starrten ihn an.
»Seit dem Moment, wo Sie das dritte Gesetz erwähnt haben, sitze ich hier und zerbreche mir den Kopf, um auf die anderen zu kommen«, sagte Biffen mit entschuldigendem Kopfschütteln; »Zwei und vier weiß ich natürlich noch, aber
was
, in aller Welt, war eins?«
»Ach, komm schon, Humpty!« Seine Frau stupste ihn spielerisch an. ›»Was immer sich an einer Person befindet, ist nicht das richtige. Wie konntest du das nur vergessen?«
»Aber
ja
!« schrie Biffen voller Genugtuung. »Ich
bin
ein alter Narr. Tut mir leid, Donald.«
»Keine Ursache, mein lieber Freund. Lady Heien hat natürlich ganz recht. ›Was immer sich an einer Person befindet, ist nicht das richtige. Ich frage mich, Sir David, ob Sie jemals die kleinen Hörfunkstunden gehört haben, mit denen ich
Weitere Kostenlose Bücher