Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
enthielt, war versiegelt, und als Adrian über Chelsea Bridge zurückging, fragte er sich, ob er ihn zu Hause über heißem Dampf aufmachen und lesen sollte oder nicht. Er entschied sich dagegen. Guy vertraute ihm, und es wäre doch erheiternd, zur Abwechslung mal so ehrlich zu sein. Statt dessen holte er seine
Antigone
heraus und las beim Gehen. Es hatte etwas von einer Pose, ihm gefiel die Vorstellung, ein französisches Buch lesend gesehen zu werden, aber er wollte auch in Übung bleiben. Im Dilly war es immer eine Sensation, wenn er französischen Touristen den Weg zeigen oder auch mit ihnen ins Geschäft kommen konnte.
    Er erreichte die King’s Road und bog nach links ab. Vor King’s Tavern war eine Balgerei im Gange. Eine Gruppe von Klebstoffschnüfflern bekämpfte sich mit Spraydosen. Einer besprühte Adrian mit roter Farbe, als er vorbeizueilen versuchte.
    »Mensch, sieh doch, was du angestellt hast!« rief er.
    »Mensch, sieh doch, was du angestellt hast!« riefen sie zurück und äfften seinen Akzent nach. »Verpiß dich, Arschloch!«
    Sie waren in keiner Diskutierlaune, also ging Adrian lieber weiter. Aber sie wollten ihr Spiel aufgeben und ihm lieber nachsetzen.
    Ach du Scheiße, dachte Adrian, als er in die Bywater Street einbog. Warum hab ich überhaupt was gesagt? Du Idiot. Adrian! Jetzt werden sie dir die Faxen auf zwanzig verschiedene Weisen aus dem Leib prügeln. Er konnte hören, wie sie aufholten. Aber dann … Freude über Freude! Er hörte das Tatü-tata eines Streifenwagens näher kommen.
    Zwei der Kinder entkamen, ein Beamter sprintete ihnen nach. Aber die drei anderen wurden gegen eine Mauer gedrängt und durchsucht.
    »Gott sei Dank«, keuchte Adrian.
    »An die Wand«, sagte ein Wachtmeister.
    »Bitte?«
    »An die Wand.«
    »Aber ich bin es doch, den die verfolgt haben!«
    »Du hast mich schon verstanden.«
    Adrian spreizte die Beine gegen die Wand und nahm die Haltung ein.
    »Was ist das?«
    »Was ist was?« sagte Adrian. Er sah bloß eine Ziegelmauer.
    »Das«, sagte der Polizist, drehte ihn herum und hielt einen Umschlag hoch.
    »Ach, das ist eine Nachricht. Gehört einem Freund von mir. Sie ist privat.«
    »Eine Nachricht?«
    »Genau.«
    Der Polizist riß den Umschlag auf und zog ein Kunststofftütchen mit weißem Pulver heraus.
    »Merkwürdige Nachricht.«
    »Was ist das?« fragte Adrian.
    Der Polizist öffnete das Päckchen und steckte einen Finger in das Pulver. »Na ja, Bürschchen«, sagte er, während er sich den Finger ableckte, »ich würde sagen, das sind zwei Jahre. Ohne weiteres zwei Jahre.«
     
    Ein Tisch, zwei Stühle, eine quietschende Tür, Zigarettenrauch, kein Fenster, vergilbender Klarlack, weit entfernte Geräusche von der King’s Road, die unbeweglichen braunen Augen von Kriminalwachtmeister Canter von der Drogenfahndung.
    »Passen Sie auf, Sie sagen, das gehört Ihnen nicht. Sie wollten es einem Freund überbringen. Sie haben das Zeug selber nie genommen. Sie wußten nicht einmal, was es war. Ehrlich gesagt, ich glaube Ihnen, Hugo. Aber wenn Sie uns den Namen dieses Freundes nicht sagen, dann muß ich Ihnen leider mitteilen, daß Sie in einem Eimer heißer Scheiße ohne Rettungsring ertrinken werden.«
    »Aber ich
kann
es nicht, wirklich nicht. Es würde ihn ruinieren.«
    »Ihnen wird es auch nicht besonders gut bekommen, oder?«
    Adrian vergrub den Kopf in den Armen. Canter war freundlich, amüsiert, gleichgültig und zäh.
    »Ich muß mir eine Anklage ausdenken, wissen Sie. Worunter kann ich wählen? Rauschgiftbesitz. Wollen mal sehen … wieviel war es? Sieben Gramm Schnee … ein bißchen verschnitten. Ziemlich viel für Eigenbedarf. Aber Sie sind jung und nicht vorbestraft. Schätze, da würden wir mit sechs Monaten BA davonkommen.«
    »BA?«
    »Besserungsanstalt, Hugo. Nicht nett, aber schnell. Kurzer harter Schock. Dann gibt es Rauschgiftbesitz mit der Absicht des In-Verkehr-Bringens. Da können Sie sich sofort auf zwei Jahre gefaßt machen. Und dann gibt es natürlich den gewerbsmäßigen Handel selbst. Dafür werfen die den Schlüssel gleich weg.«
    »Aber …«
    »Hugo, die Sache ist, daß ich hier ein Problem habe, bei dem Sie mir helfen können. Sie haben mir bereits gesagt, daß Sie es selber nicht nehmen, also kann ich Sie nicht gerade wegen Rauschgiftbesitzes belangen, oder? Wenn Sie sich nicht selbst die Nase pudern, müssen Sie aber die Absicht gehabt haben, es an jemanden zu verkloppen. Ist doch einleuchtend.«
    »Aber er hat mich nicht dafür

Weitere Kostenlose Bücher