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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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gehörte zu Adrians Job im Zentrum des Strudels, jedes Gesicht zu mustern, das vorbeiwirbelte. Unschuldige Passanten neigten dazu, die Blicke Fremder nicht zu erwidern, daher konnte er sich meist rechtzeitig abwenden, wenn ein Bekannter in seine Nähe kam.
    An einem regnerischen Nachmittag jedoch, ungefähr zwei Wochen nach der Begegnung mit Onkel David, als er sich an seinem Lieblingsplatz unter den Kolonnaden von Swan und Edgar untergestellt hatte und um Freier buhlte, sichtete er Dr. Meddlar, ohne sein Hundehalsband, aber dennoch unverwechselbar, der die Stufen von der U-Bahn hochkam.
    Das Trimester muß vorbei sein, dachte Adrian, während er sich hinter einer Säule verbarg.
    Er sah, wie Meddlar nach links und rechts schaute, bevor er die Straße zu Boots, der Drogerie unter der Neonreklame, überquerte. Greg und Mark, zwei Adrian bekannte Skinheads, gingen dort ihrem gesetzlosen Treiben nach, und er war überrascht, als Meddlar stehenblieb und einen von ihnen ansprach. Er versuchte, wie zufällig auszusehen, aber für Adrians Kennerblick war völlig klar, daß es da um Geschäftliches ging.
    Durch den Verkehr hüpfend, näherte Adrian sich von hinten.
    »Nicht möglich, Dr. Meddlar!« rief er und klopfte ihm gutmütig auf den Rücken.
    Meddlar fuhr herum.
    »Healey!«
    »Mein lieber alter Kaplan, es ist einfach wunderbar, Sie zu sehen!« Adrian schüttelte ihm herzlich die Hand. »Aber lassen Sie mich Ihnen einen guten Rat geben –
verb sap
, wie wir auf der guten alten Penne zu sagen pflegten –, wenn sie mehr als einen Zehner von Ihnen wollen, damit sie Ihnen den Schwanz lutschen, werden Sie ausgenommen.«
    Meddlar wurde kalkweiß und trat rückwärts vom Bordstein herab.
    »Sie gehen schon?« Adrian schien enttäuscht. »Na, wenn Sie müssen. Aber sobald Sie mal wieder harte Welle brauchen, lassen Sie es mich wissen, ich werde Ihnen etwas besorgen. Aber wie sagte der Mann in
Casablanca
? ›Seien Sie vorsichtig, diese Stadt ist voller Aasgeier, voller dunkler Elemente.‹«
    Meddlar verschwand in einem Durcheinander von Sprühregen und Autohupen.
    »Vergessen Sie nicht, den Kindern ein Vorbild zu sein«, rief Adrian ihm nach. »Ich kann nicht immer dasein, wenn Sie bei Rot über die Straße laufen.«
    Den Skinheads gefiel das gar nicht.
    »Du bist ein Arschloch, Hugo! Wir waren kurz davor abzusahnen.«
    »Ich zahl euch aus, meine Lieben«, sagte Adrian. »Das war es wert. Bis dahin darf ich euch im Wimpy eine Fanta ausgeben. Bei dem verdammten Regen ist sowieso nichts los.«
    Sie saßen am Fenster und musterten automatisch die Mengen, die vorbeihuschten.
    »Warum hat er dich ›Healey‹ genannt?« fragte Greg. »Ich dachte, du heißt Bullock?«
    »Healey war mein Spitzname«, sagte Adrian. »Ich hab immer den Politiker Denis Healey nachgemacht. Das ist irgendwie hängengeblieben.«
    »Ach so.«
    »Welch ein Büttelknüttel«, fügte Adrian hinzu, um es zu beweisen.
    »Das klingt voll wie er!«
    »Also, auf jeden Fall wie Mike Yarwood.«
    »Und der Typ war ein echter Pfarrer?«
    »Schulkaplan, bei meinem Leben.«
    »Verfluchte Scheiße. Er hat Terry und mich gefragt, ob wir ihn fesseln würden. Und das mit ’ner verdammten Halskrause.«
    »Ich schlug den Tisch und rief ›nie mehr‹!« sagte Adrian und faltete die Hände zum Gebet.
    »Was hast du?«
    »George Herbert. Ein Gedicht namens ›Die Halskrause‹. Muß euch irgendwie entgangen sein. ›Entbehre ich der fröhlichen Girlanden? Sind alle verschwendet? Alle verpfändet? Faß Mut, mein Herz: dort hängt die Frucht, und du hast Hände.‹«
    »Ach. Stimmt. Ja.«
    »Ihr wart die fröhlichen Girlanden, die Frucht. Und seine Hände wollten sich gerade um euch legen, nehme ich an. Er muß vergessen haben, wie es endet. ›Bei jedem Worte dünkt es mich, eine Stimme ruft mich
Kind!
und ich erwidre
Herr
.‹«
    »Du saugst dir das nicht aus den Fingern, oder?«
    »Es ist ein wunderbares Gedicht, es würde euch gefallen. Ich kann zu Hatchards runterlaufen und das Buch kaufen, wenn ihr wollt.«
    »Verpiß dich.«
    »Ja, gewiß, diesen Aspekt hat es natürlich auch«, gab Adrian zu. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muß noch nebenan bei Boots rein und mir mehr Creme gegen diese alten Filzläuse besorgen.«
    Ungefähr zwei Monate später wurde er von einem Schauspieler mitgenommen.
    »Ich kenne Sie«, sagte Adrian, als sie sich im Taxi zurücklehnten. Der Schauspieler nahm die Sonnenbrille ab.
    »Mein Gott!« Adrian kicherte. »Sie sind

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