Der Lüster - Roman
Zimmer mit ihrem Tunnelgeruch, die Dinge, die leicht verschoben wirkten, so als wären sie gerade noch lebendig gewesen. Ihr Aberglaube war das Zarteste, das sie erfahren hatte; im Dahingleiten einer Sekunde konnte sie jene warme und rätselhaft vehemente Aussage überschreiten, dass das Ding, verstehst du?, einfach da ist, genau da, und doch ist es so, die Gegenstände, der kleine Krug hier zum Beispiel, der weiß ganz tief von sich; und selbst dieses gekippte Fenster, der kleine Tisch, der da auf drei Füßen unter der Zimmerdecke steht, verstehst du?, der weiß tief von sich; und dann gibt es da auch das, was nicht anwesend ist (und das hilft, das hilft, und alles geht vorwärts) (selbst diese (Kraft)) (ein Augenblick, der folgt, und ihm entstammen das Ja und das Nein) (aber wenn es etwas dauert, »weiß« man am Ende, dass der Augenblick ein Augenblick ist, und dann ist er auf stumme Weise gebrochen) (man muss von neuem beginnen) (Kräfte verwickeln, nochmal verwickeln, Kräfte verwickeln) (ohne zuzulassen, dass gewisse Dinge auf der Welt zu nahe kommen) (vor allem ist vergangen, was vergangen ist, und um just diesen kleinen Augenblick geht es, und auch noch um den, und um den) (aber um jeden einzeln) – und siehe da, ohne ein Wort hatte sie es schon verwirklicht. Davon abgesehen, hielten sie nur einige Worte aufrecht. Aber gebraucht wurden sie mit einem derartigen Sinn, mit einer derartigen, wenn man so wollte, blinden und merkwürdigen Natur, dass sie, wenn sie sie laut oder in Gedanken äußerte oder wenn sie sie hörte, nicht erschauerte, nichts wiedererkannte, nichts bemerkte; in ihrer beschäftigten, detailgenauen Intimität lebte sie ohne Gedächtnis. Vor dem Einschlafen sagte sie konzentriert und magisch den Dingen Lebwohl, in einem letzten Augenblick von schwach beleuchtetem Bewusstsein. Sie wusste, dass »ihre Dinge« im Halbdunkel ihre eigene Essenz besser lebten. »Ihre Dinge« – dachte sie ohne Worte, schlau in der eigenen Dunkelheit – »ihre Dinge« wie »ihre Haustiere«. Sie spürte zutiefst, dass lebendige und tote Dinge sie umgaben und dass die toten einmal lebendig gewesen waren – mit vorsichtigen Augen warf sie tastende Blicke darauf. Langsam gelangte sie zu einem untergründigen Verständnis, lebte umsichtig und aufmerksam; ohne es zu wissen, gestand sie sich ihren Wunsch zu, in der gelöschten und verstaubten Lampe mehr zu sehen als eine Lampe. Sie wusste nicht, dass sie dachte: Wenn sie nur die Lampe sähe, würde sie diesseits von ihr stehen und ihre Wirklichkeit nicht besitzen – wenn sie die Dinge überschritt, besaß sie auf rätselhafte Weise deren Mittelpunkt. Obwohl sie »ihre Dinge« dachte, als sagte sie »ihre Haustiere«, spürte sie, dass deren Anstrengung nicht darin bestand, einen menschlichen Kern zu haben, sondern auf einer rein außermenschlichen Ebene erhalten zu bleiben. Sie verstand sie kaum, und ihr Leben war durch Zurückhaltung gekennzeichnet, durch Zauber und relatives Glück; sie fühlte sich manchmal in sich selbst geborgen – war nicht ein Großteil ihres Daseins Ding? das war die Empfindung: ein Großteil ihres Gesamten lebte, ohne die eigene Kraft zu kennen, folgte dabei einer unwägbaren Route. Und wenn in Wahrheit überhaupt eine Möglichkeit für sie bestanden hätte, nicht innerlich still zu sein, so wäre sie es aufgrund dieses unaussprechlichen Eindrucks doch gewesen. Am Tisch sitzend, den Blick auf die Finger gerichtet, allein auf der Welt, dachte sie konfus und mit einer Genauigkeit ohne Worte, die so viel galt wie leichte, zarte Bewegungen, wie ein Summen des Denkens: Die Gedanken über die Dinge sind in den Dingen selbst, ohne sich an denjenigen zu heften, der sie betrachtet; die Gedanken über die Dinge gehen von ihnen aus, wie der Duft von der Blume ausströmt, selbst wenn ihn niemand aufnimmt, selbst wenn niemand auch nur weiß, dass es diese Blume gibt … ; der Gedanke des Dings existiert somit im selben Maße wie das Ding selbst, nicht in Worten, die erklären, sondern als andere Ordnung der Tatsachen; Tatsachen, die schnell sind, subtil, genau durch einen Sinn sichtbar, so wie allein der Geruchssinn den Duft der Blume wahrnimmt – erklang sie. Die Qualität ihres Gedankens war nichts als eine Kreisbewegung. Sie spürte einen Kratzer am Finger und vergaß alles, ihre Aufmerksamkeit dem Leben zugewandt, so wie durch den Schlaf alles vergessen wird, was man einen Augenblick vor dem Einschlafen gedacht hat. Wie jemand, dessen
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