Der Maedchenmaler
vorzubereiten.
Anscheinend war das auch Judith gerade durch den Kopf geschossen. Sie sammelte sich und richtete einen forschenden Blick auf ihn.
»Womit kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
»Mit einer Information«, sagte Bert. »Wie erreiche ich Herrn Helmbach?«
»Ich will ihm gern ausrichten, dass Sie ihn sprechen möchten. Dann kann er Sie anrufen und einen Termin mit Ihnen vereinbaren. Darf ich fragen, worum es geht?«
»Seine Schwester ist als vermisst gemeldet worden und ich hätte einige Fragen an ihn.«
Sie versuchte, ihre Überraschung zu verbergen, aber Bert hatte ihr kurzes Stirnrunzeln ebenso wahrgenommen wie den ungläubigen Ausdruck in ihren Augen.
»Sie wussten nicht, dass er eine Schwester hat?«, versuchte er es auf gut Glück, denn ihr Erstaunen konnte ja auch der Tatsache gelten, dass Ilka verschwunden war.
»Ruben ist mein Arbeitgeber«, antwortete sie. »Sein Privatleben ist seine Sache.«
Wie geschickt sie ihm auswich. Aber die Gefühle dieser Frau standen nicht zur Debatte. Das konnte sich ändern, doch für den Moment hatte er genug gehört. Er bat um seinen Mantel, überreichte Judith seine Visitenkarte, verabschiedete sich und arbeitete sich durch den zweiten Stau nach Hause zurück.
Das Bier war getrunken. Bert fühlte sich angenehm müde. Er ließ die Flasche bewusst auf dem Tisch stehen. Ihm war danach, ein Zeichen von Leben in diesem Zimmer zu hinterlassen, selbst wenn es das falsche war.
Ruben hatte sich mit Arbeit betäubt. Er hatte die Bilder, die er für die Ausstellung ausgewählt hatte, verpackt, damit sie gerahmt werden konnten, und hatte an dem neuen Bild weitergemalt. Dann hatte er für Ilka gekocht, ihr jedoch das Essen nach unten gebracht und nicht mit ihr gemeinsam gegessen.
Kurz darauf hatte Judith angerufen. Sie hatte sehr geschäftsmäßig geklungen, als wollte sie die letzte Nacht möglichst rasch in Vergessenheit geraten lassen. Das war das Beste, was sie tun konnten, und Ruben war erleichtert auf ihren Ton eingegangen.
»Ich wusste gar nicht, dass du eine Schwester hast«, hatte sie gesagt, und in diesem Satz hatten tausend Fragen mitgeschwungen.
»Wir haben keinen Kontakt mehr.« Ruben hatte ganz beiläufig geantwortet. In Wirklichkeit war alles in ihm in Aufruhr gewesen.
»Ein Kommissar war hier. Deine Schwester scheint verschwunden zu sein und er wollte dir dazu ein paar Fragen stellen.«
Der Schreck war ihm kalt unter die Haut gefahren. Ruhig, hatte er gedacht. Kein Grund, sich aufzuregen. Du hast gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde. Geh kühl und sicher damit um.
»Gib mir seine Nummer«, hatte er gesagt. »Dann ruf ich ihn zurück.«
Sie hatte ihm die Nummer durchgegeben und das Gespräch beendet.
Seitdem saß er im Atelier, sah hinaus in die Dunkelheit und dachte nach. Er musste sich die Polizei so lange wie möglich vom Leib halten. Wenn Ilka erst einmal bereit war, mit ihm hier zu leben, gäbe es mit einem Schlag keine Probleme mehr, keinen Entführer und kein Entführungsopfer. Sie war volljährig. Sie konnte selbst entscheiden, wo und mit wem sie leben wollte.
Ruben schenkte sich Wein nach. Es war so vollkommen still, dass man glauben konnte, man sei allein auf der Welt. Er trank einen Schluck. Selbst der Wein schmeckte hier besser. Vielleicht weil Stille und Einsamkeit die Sinne schärften.
Er hatte es sich einfacher vorgestellt. Er hatte geglaubt, Ilka würde, einmal von Tante Mareis schädlichem Einfluss befreit, ihre Liebe zu ihm bald wieder entdecken. Die Wohnung war doch nur als kurzfristige Überbrückung gedacht gewesen. Hatte er seine Planungen auf falschen Voraussetzungen aufgebaut?
Vorsicht. Seine Gedanken bewegten sich in eine gefährliche Richtung. Zweifel brachten ihn nicht weiter. Er sollte sich lieber auf den Kommissar konzentrieren.
Einen konkreten Verdacht konnte er nicht haben. Es gehörte zu seinem Ermittlungsalltag, jeden zu befragen, der in irgendeiner Weise mit Ilka verbunden war.
Und wenn er auf die Idee käme, ihn hier aufzusuchen?
Dafür gab es keinen Grund. Doch selbst wenn. Die Wohnung im Keller war schalldicht isoliert. Der Kommissar würde nichts hören.
Der Wein stieg Ruben zu Kopf. Er sollte aufhören zu trinken. Zu viel Alkohol hatte eine verheerende Wirkung auf ihn. Er erhob sich schwankend und verließ das Atelier. Als er in seinem Schlafzimmer stand, wusste er, dass er nicht würde schlafen können. Er schaute auf das Bett und die Sehnsucht nach Ilka wurde
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