Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
Zynismus.
    Er holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich damit ins Wohnzimmer, das so aufgeräumt war, dass es schon fast ungemütlich wirkte. Hatten früher nicht überall Sachen herumgelegen? Spielzeug von den Kindern, Bücher, Buntstifte, Klamotten? Hatte nicht ab und zu ein Glas dagestanden mit dem Rest irgendeines klebrig süߟen Getränks? Plötzlich vermisste er die matschigen Bananenschalen, die angebissenen, braun verfärbten Ąpfel mit den Abdrücken kleiner Zähne, die zusammengerollten, steinharten Kaugummis und die angebissenen Schokoriegel.
    Verwundert merkte er, dass ihm das Zimmer vor den Augen verschwamm. Wurde er etwa auf seine alten Tage rührselig? Bezahlte er jetzt dafür, dass es ihm nicht gelungen war, sich einen Panzer zuzulegen, wie es die meisten Männer taten, um zu überleben? Harte Schale, weicher Kern?
    Er trank aus der Flasche. Zog sein Notizbuch hervor und lieߟ den Besuch in Ruben Helmbachs Haus in Gedanken Revue passieren.
    Auf der A 1 hatte es einen Unfall gegeben. Der betreffende Abschnitt war in beiden Richtungen gesperrt worden und Bert hatte sich inmitten einer stinkenden, dampfenden Blechlawine stundenlang durch kleine Orte und über eine kurvenreiche Landstraߟe quälen müssen.
    Erst gegen halb sieben war er in Togstadt angekommen. Der Stress der Fahrt hatte ihn hungrig gemacht und reizbar. Also hatte er in einem StehCaffee ein Brötchen gegessen und einen Kaffee getrunken.
    Die Verkäuferin war bereits damit beschäftigt gewesen, die Regale und die Glasscheiben der Auslage zu säubern. Es hatte neben Bert nur einen weiteren Gast gegeben, eine alte Frau mit einem asthmatischen kleinen Mops, der ihn von unten herauf mit einem fast menschlichen Ausdruck der Verwunderung angestarrt hatte.
    Einigermaߟen gestärkt war Bert dann zu Ruben Helmbachs Haus gefahren und hatte erleichtert festgestellt, dass in mehreren Fenstern Licht brannte. Du solltest dir diese spontanen Aktionen abgewöhnen, hatte er gedacht. Sie kosten dich Zeit und Kraft, die du sinnvoller nutzen könntest. Dabei hatte er gewusst, dass er sich nicht ändern würde, weil die plötzlichen Eingebungen in seinem Beruf manchmal das Salz in der Suppe waren.
    Er hatte sich einen Parkplatz gesucht und das Haus beim Näherkommen betrachtet. Beton und Glas. Vor zwanzig Jahren musste es das Modernste vom Modernen gewesen sein. Noch heute hatte es eine Aura von Besonderheit.
    Die Frau, die ihm öffnete, war noch sehr jung. Sie stellte sich als Ruben Helmbachs Assistentin vor. Sie nahm ihm den Mantel ab und führte ihn in ein riesiges Wohnzimmer, das karg und kühl möbliert war. Weiߟe Ledergarnitur mit anthrazitfarbenen Seidenkissen. Ein knallroter Teppich auf spiegelndem schwarzem Granit.
    Es schien kaum Türen zu geben in diesem Haus. Der Wohnraum war, wie Bert auf den zweiten Blick feststellte, vieles in einem: Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Esszimmer. Auch die Küche war integriert. Getrennt wurden die Bereiche durch halbhohe, schlichte weiߟe Wände.
    Bert fragte sich bei solchen Häusern immer, welche Auswirkungen diese offene Wohnweise auf das Zusammenleben hatte. Er wagte sich nicht auszumalen, wie es wäre, wenn Margot und die Kinder unentwegt um ihn wären und ihm keine Möglichkeit lieߟen, sich dann und wann zurückzuziehen.
    Ruben Helmbach sei zurzeit nicht ständig anwesend, erklärte die junge Frau, die Judith Kranz hieߟ. Er brauche das hin und wieder, einen ruhigen Platz zum Arbeiten. Hier werde er ja immerzu abgelenkt.
    »Die Szene ist völlig meschugge«, sagte sie. »Die Leute saugen die Künstler aus, überschütten sie mit Auszeichnungen, reichen sie von Event zu Event, schwatzen ihnen die Bilder ab, kaum dass sie trocken sind, und dann, wenn sie genug haben von dem einen, vergessen sie ihn und wenden sich dem nächsten zu.«
    »Ich verstehe nicht viel von Malerei«, sagte Bert und machte eine entschuldigende Geste mit den Händen. »Aber ich habe gehört, Herr Helmbach sei zurzeit ziemlich gefragt.«
    »Das ist reichlich untertrieben. Ruben ist Kult. Aber er durchschaut die Zusammenhänge und spielt das Spiel zu seinen eigenen Bedingungen. Er hat sich von Anfang an rar gemacht. Das hätte ihn Kopf und Kragen kosten können. Glücklicherweise ist das Gegenteil passiert. Man reiߟt sich um ihn.«
    Bert hörte ihr interessiert zu. Das war das Gute an den spontanen ܜberfällen - die Leute erwiesen sich als gesprächiger, wenn sie keine Möglichkeit hatten, sich

Weitere Kostenlose Bücher