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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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oft war es passiert, dass Ilka plötzlich aufgesprungen und weggelaufen war. Er wollte es nicht wieder verderben.
    Sie war so schön.
    »Mach die Augen zu«, flüsterte sie. »Bitte. Mach sie zu.«
    Jedes Mal. Jedes Mal.
    Doch er konnte sie auch mit den Händen sehen. Und das tat er. Langsam, vorsichtig. Er zitterte vor Erregung, bekam kaum noch Luft. Versuchte, es vor ihr zu verbergen, sie nicht zu erschrecken mit seinem Verlangen. Er flüsterte ihren Namen.
    »Nein! Bitte! Nicht!«
    Sie schob ihn weg, weinte, vergrub das Gesicht an seinem Hals. Jetzt war sie es, die zitterte, jedoch nicht vor Erregung. Sie schlotterte am ganzen Körper. Ihre Zähne klapperten aufeinander.
    Mike zog die Decke höher. Er nahm Ilka in die Arme, redete leise auf sie ein, bis sie sich beruhigte. Dabei sah er zum Fenster. Der Tag da drauߟen war grau und kalt. Genauso war es in seinem Innern.
     
    Frau Bergerhausen hatte anscheinend alles im Griff. Die Pflanzen strotzten vor Gesundheit, die Katzen waren wohlgenährt und es blitzte vor Sauberkeit. Die Post lag auf der Kommode in der Diele, die Briefe säuberlich nach der Gröߟe sortiert. Ich brauchte mich nicht darum zu kümmern.
    »Wenn ich unterwegs bin«, hatte meine Mutter gesagt, »dann bin ich unterwegs. Den Stress, jederzeit und überall erreichbar zu sein, tu ich mir nicht an. Verschone mich also mit den Briefen und den E-Mails. Ich möchte gar nicht damit behelligt werden.«
    Trotzdem warf ich einen Blick auf die Absender. Man konnte nie wissen. Vielleicht war doch etwas Wichtiges dabei.
    Edgar und Molly folgten mir auf Schritt und Tritt. Die Abwesenheit meiner Mutter schürte offenbar die Verlustängste, unter denen sie von Anfang an gelitten hatten, keiner wusste, warum. Möglicherweise hatten wir sie zu früh von der Mutter getrennt, sie waren damals erst sechs Wochen alt gewesen.
    Ich sah mich im Erdgeschoss um, das mir seltsam fremd vorkam, so still und aufgeräumt. Durch die groߟen Glasflächen des Wintergartens schaute ich hinaus auf das weite, kahle Land. Es war noch nicht lange her, da waren auf den Feldern Erdbeeren gewachsen. Und ich hatte mich verliebt. Himmelhoch.
    Molly maunzte. Ich hob sie auf und rieb die Wange an ihrem weichen Fell. Die Welt war in Schutt und Asche gefallen, und ich hatte keine Ahnung, wann ich stark genug sein würde, wieder Farben zu erkennen.
    »Du hast es gut«, sagte ich leise zu Molly. »Sei froh, dass du eine Katze bist.«
    Sie gab keine Vorwarnung, hörte nicht mal auf zu schnurren, schlug mir einfach die Krallen in den Hals. Ich lieߟ sie los und sie sprang mir vom Arm, das Fell gesträubt, der Schwanz doppelt so dick wie sonst.
    Ich griff mir an den Hals. Es brannte wie Feuer. So etwas hatte Molly noch nie getan. Sie war die sanfteste Katze, die man sich nur vorstellen konnte. Wenn sie nicht regelmäߟig tote Mäuse und Ratten nach Hause gebracht hätte, wäre man nicht auf die Idee gekommen, dass ihre Pfoten überhaupt mit Krallen ausgestattet waren.
    An meinen Fingern war Blut. Ich ging ins Gästebad und betrachtete mich im Spiegel. Die Kratzer waren nicht allzu tief. Molly hatte nur halbherzig zugeschlagen. Aber wieso hatte sie es überhaupt getan? Ich tupfte das Blut mit nassem Klopapier ab. Keine groߟe Sache. Ich würde nicht mal ein Pflaster brauchen.
    Edgar und Molly hefteten sich wieder an meine Fersen. Sie strichen mir gurrend um die Beine, wichen aber meiner Hand aus, sobald ich sie berühren wollte. Ihre Futternäpfe waren voll, Hunger konnten sie nicht haben. Was war mit ihnen los?
    »Ganz schön albern«, sagte ich. »So ein Tamtam zu veranstalten, bloߟ weil ihr mal eine Weile allein seid.« Ich beschloss, mich nicht weiter um sie zu kümmern, und ging auf die Terrasse hinaus.
    Die entlaubten Bäume waren von Raureif überzogen und sahen aus wie die Kulisse zu einem Märchenfilm. Auf einem Zaunpfahl saߟ ein Bussard und beobachtete mich. Der Rauch aus dem Schornstein (das Haus wurde auf Sparflamme weitergeheizt) füllte die Luft mit seinem beiߟenden Geruch.
    Der Frost knirschte unter meinen Schritten. Die Grashalme waren zerbrechlich wie Glas. Aus dem Dorf wehte der dünne Ton der Sterbeglocke herüber. Es würde wieder eine Beerdigung geben. Doch es würde niemand sein, den ich kannte. Diesmal nicht.
    Die Kälte lieߟ mich frösteln. Ich ging ins Haus zurück und schloss die Tür. Erst jetzt fiel mir auf, dass Edgar und Molly mir nicht nach drauߟen gefolgt waren. Das wunderte mich, denn es war

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