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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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besaߟ. Denn wenn es wirklich darauf ankam, war Tilo für sie da. Und für Jette. Er hatte es mehr als einmal bewiesen.

    Er hatte ein Essen vorbereitet. Das rührte sie, denn er konnte nicht besonders gut kochen. Diesmal hatte er sich an einer Reispfanne versucht. Beim Essen erzählte Imke und Tilo hörte ihr zu. Sie genoss seine Aufmerksamkeit und sein Interesse, lieߟ sich von ihm bedauern und merkte, wie gut ihr das tat. Dieser Mann war ein Geschenk des Himmels. Fast kamen ihr schon wieder die Tränen.
     
    Ruben stand an seiner Staffelei und malte. Das Telefon hatte mehrmals geklingelt, aber er hatte die Gespräche nicht angenommen. Wenn er mitten in der Arbeit war, interessierte ihn nichts anderes, dann schloss er die Welt aus seinen Gedanken aus, konzentrierte sich ganz auf das Bild, war nur noch Bewegung, Farbe und Form.
    Viele groߟe Maler hatten auf diese Weise gearbeitet, unter einem fast rauschhaften Zwang, der sie Hunger und Durst vergessen lieߟ, gehetzt und gequält und manchmal, ganz selten, in einem Zustand von Glück. Es gab sie auch heute, die Chagalls, Picassos, Münters und Gauguins. Man traf sie nicht in den Kneipen und KünstlerCaffees, die wirklichen Kahlos, Modersohn-Beckers, van Goghs und Dalß s. Man musste sie suchen. Jeder von ihnen hatte seine eigene Form von Besessenheit. Jeder von ihnen blieb für sich. Wie Ruben.
    Wieder malte er Ilka. Mit jedem Bild versuchte er, sie zurückzuholen in sein Bewusstsein, sein Haus, sein Leben. Und mit jedem Bild wurde ihm klarer, dass ihm das nicht gelang. Manchmal malte er ihr Haar und wusste auf einmal nicht mehr, wie es schimmerte. Es kam vor, dass er den Ton ihrer Haut vergaߟ.
    Er hatte vor Enttäuschung und Wut schon die Einrichtung seines Ateliers demoliert. War danach zu einem Häufchen Elend zusammengesunken und nicht fähig gewesen, wieder aufzustehen. Jedes Mal hatte Judith ihn so gefunden. Behutsam hatte sie ihn ins Haus und zum Sofa geführt und ihn mit einer Wolldecke zugedeckt. Sie hatte sich einen Sessel herangezogen und sich zu ihm gesetzt.
    Eine Weile hatte sie ihn ruhig angesehen, dann hatte sie sich ein Buch aus dem Regal genommen. Ruben hatte dem Geräusch des Umblätterns gelauscht. Die Augen waren ihm schwer geworden und er war eingeschlafen.
    Judith hatte seinen Schlaf bewacht. Sie hatte ihn vor dem Leben drauߟen abgeschirmt, solange es nötig war, hatte für ihn eingekauft und gekocht und die Mahlzeiten mit ihm eingenommen. Wahrscheinlich hielt sie ihn für den einsamsten Menschen der Welt. Und das war er ja auch. Einsam. Allein.
    Es gelang ihm wieder nicht. Er warf Palette und Pinsel auf den Tisch und rieb sich übers Gesicht. Er war in keiner guten Verfassung. Judith hatte ein ausgedehntes Wochenende bei ihrer Familie verbracht. Er war zu lange allein gewesen.
    Das Alleinsein konnte einen ganz schön quälen. Wahrscheinlich konnte es einen sogar umbringen, wenn es lange genug dauerte. Vielleicht würde man vorher wie Anne Helmbach, tauschte die Einsamkeit zu Hause gegen die Einsamkeit in einem Heim und dann würde man Schritt für Schritt die Kontrolle verlieren. Bis die Einsamkeit einen völlig unter sich begraben hätte.
    Er musste etwas essen, auch wenn er keinen Hunger hatte. Langsam ging er durch den Garten ins Haus. Judith würde erst am späten Nachmittag kommen, nach ihren Vorlesungen. Vielleicht hatte sie Lust, etwas zu kochen und mit ihm zu essen. Manchmal tat es ihm gut, sie erzählen zu lassen und ihr zuzuhören. Er fühlte sich wohl in ihrer Gesellschaft und betrachtete sie gern.
    Jeder Schritt fiel ihm schwer. Er fühlte jeden einzelnen Knochen im Leib. So musste es sein, wenn man alt war. Ruben konnte nicht verstehen, warum die meisten Menschen so versessen darauf waren, ein hohes Alter zu erreichen. Er hatte nicht vor, sich selbst dabei zuzusehen, wie er klapprig und hinfällig würde.
    In der Küche schmierte er sich ein Brot und brühte sich einen starken schwarzen Tee auf. Teller und Tasse nahm er mit ins Esszimmer und setzte sich an den langen Tisch. Er bot Platz für zwölf Personen und Ruben fühlte sich daran furchtbar verloren.
    Die Blumen in der Vase lieߟen die Köpfe hängen. Sie mussten ausgetauscht werden. Doch selbst das war ihm zu viel. Es war immer so, wenn er malte. Er verzichtete auf alles, auch auf Schlaf. Die ܜberreiztheit seiner Nerven schlug sich positiv in den Bildern nieder. Sie wurden auf eine atemberaubende Weise intensiv.
    Sein Körper jedoch reagierte empfindlich.

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