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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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waren wie ausgelöscht. Verzweifelt tauchte er den Pinsel ins Rot und zog einen groben Strich. Er sah aus wie verschmiertes Blut.
    Ruben stöhnte auf. Nahm einen dickeren Pinsel. Klatschte mehr Rot auf die Leinwand. Dann Schwarz, Blau, Gelb. Zog Linien. Verrieb sie. Kratzte sie mit den Fingernägeln auf. Griff nach einer Schere und stach Löcher ins Schwarz, Löcher wie Augen, blasse, blinde Augen im Nichts. Er keuchte. Fluchte. Die Augen starrten ihn an.
     
    Bert fuhr langsam durch die Dreiߟigerzone und betrachtete die Häuser. Der erste Eindruck war ihm immer besonders wichtig, weil er nicht durch Informationen gefiltert war. Es war später Vormittag. Eine ältere Dame kehrte den Gehsteig vor ihrem Haus, ein Lieferwagen von UPS kam vorbei, ein Jogger überquerte die Straߟe.
    Hier also wohnte Ilka Helmbach. Frei stehende Häuser und groߟzügige Doppelhaushälften, die meisten in den Siebzigerjahren entstanden. Man erkannte es an der gediegenen Bauweise und den halbherzigen Versuchen, hier und da einen modernen Akzent zu setzen. Viel Schwarz und Weiߟ, Holz und Glas.
    Die Gärten hatten eine respektable Gröߟe, was daran lag, dass Grundstücke damals noch nicht so teuer gewesen waren. Bert fiel eine riesige Zeder auf, die ihre mächtigen Ąste über dem Haus ihrer Besitzer ausbreitete. Auch die übrigen Bäume waren bemerkenswert hoch gewachsen, sodass man fast den Eindruck hatte, sich hier in einem Waldgebiet zu befinden.
    Es war das, was man eine 
bessere Gegend
 nannte. Aber Bert wusste, dass es unter der polierten Oberfläche ebenso heftig brodelte wie anderswo. Das Verbrechen war nicht wählerisch. Es bevorzugte nicht die Wohnsilos der Stadtviertel, die als asozial galten. Es hatte keine Vorurteile.
    Er fand eine Parklücke und stellte seinen Wagen ab. Als er ausstieg, empfand er die Ruhe, die hier herrschte, als behäbig und satt. Fang bloߟ nicht an, deine Vorurteile zu pflegen, dachte er, während er auf das Haus mit der silbernen Siebzehn zuging. Es unterschied sich nicht wesentlich von den übrigen Häusern, war Teil des Ganzen, frei stehend, gepflegt, jedoch mit deutlich sichtbaren Gebrauchsspuren.
    Üœber dem Garagentor war ein ramponierter, offenbar heiߟ geliebter Basketballkorb angebracht. In der Eingangsnische hing neben der Tür ein anscheinend selbst getöpfertes Namensschild. 
Ilka, Rhena, Leo, Marei und Knut
. Darunter 
Täschner
 und 
Helmbach
. ܜber den Namen flogen blaue Wildgänse - oder jedenfalls etwas, das blauen Wildgänsen ähnlich sah.
    Die Tür wurde geöffnet, noch bevor Bert auf den Klingelknopf gedrückt hatte. »Herr Kommissar? Ich bin Marei Täschner. Bitte, kommen Sie herein.«
    Er rieb die Schuhsohlen auf der dicken braunen Fuߟmatte sauber und betrat die Diele. Der Garderobenständer war unter all den Mänteln, Jacken, Schals und Mützen kaum noch zu erkennen, trotzdem gelang es Marei Täschner, für seinen Mantel noch einen freien Haken zu finden.
    »Kaffee?«
    »Gern.« Die Kälte schien in diesem Winter kein Ende nehmen zu wollen. Sie war ihm unter die Haut gekrochen. Die Aussicht auf einen heiߟen Kaffee war verlockend.
    Marei Täschner bot ihm einen Platz in der Küche an. Sie hatte den Kaffee schon vorbereitet und Tassen, Milch, Zucker und eine Schale mit Spritzgebäck auf den Tisch gestellt. Sie zündete die Kerze neben der Vase mit den Barbarazweigen an und schenkte ihm ein.
    Bert sah sich um. In dieser Küche wurde gekocht und gelebt. Turnschuhe lagen neben der Tür, umgekippt, die Sohlen erdverkrustet. An der Wand hingen Kinderfotos und eine Tafel, auf die in verschiedenen Handschriften eine Einkaufsliste gekritzelt war. Auf der Arbeitsplatte stand ein Einkaufskorb, bis zum Rand gefüllt mit Lebensmitteln.
    »Haben Sie schon etwas gehört?«, fragte Marei Täschner und schaute Bert erwartungsvoll an.
    »Leider nicht.«
    Wie oft hatte er mit angesehen, wie Hoffnung zerbröckelte und tiefer Enttäuschung Platz machte. Marei Täschner zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und putzte sich trompetend die Nase.
    Wie ein Kind, das durch den Keller poltert, um die eigene Angst zu erschrecken, dachte Bert. Die Frau, die da vor ihm saߟ, war ihm sympathisch. Ihr Blick war offen und freundlich, und die Fältchen in ihren Augenwinkeln zeigten, dass sie gern lachte.
    »Ich möchte mir ein Bild von Ihrer Nichte machen«, sagte Bert. »Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
    Sie nickte und umschloss ihre Tasse mit beiden Händen, wie um Halt

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