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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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ihm durchging wie früher, wenn er wieder mal eine Auseinandersetzung mit seinem Vater gehabt hatte und verzweifelt aus dem Haus gestürzt war. Damals hatte er seine ohnmächtige Wut an allem ausgelassen, was ihm vor die Füߟe geraten war. Er hatte Pflanzen ausgerupft, Käfer und Schnecken zertreten und Vögel mit seiner Schleuder vom Baum geschossen. Damals. Das war lange her. Er sollte seinem Vater längst vergeben haben.
    Doch das sagte sich so leicht. Ruben konnte weder vergeben noch vergessen. Sein Vater war tot, aber selbst das versöhnte ihn nicht.
    Die Gedanken waren auf ihn eingestürmt. Ruben war schneller gegangen und schneller, bis er schlieߟlich rannte. Nach einigen Minuten hatte er heftiges Seitenstechen bekommen. Am Rand einer Lichtung war er stehen geblieben und hatte nach Luft gerungen. Sein Keuchen hatte die Stille zwischen den hohen, geraden Bäumen gestört. Es hatte ebenso wenig hierher gepasst wie seine Verzweiflung.
    Das Seitenstechen hatte aufgehört. Die Verzweiflung war geblieben. Und der einzige Mensch auf der Welt, der sie ihm hätte nehmen können, saߟ unten im Keller und rührte sich nicht. Ruben sah auf die Uhr. Er sehnte sich danach, die Klingel zu hören, und hatte gleichzeitig Angst davor.
     
    Der Weg zu Ilka, hatte Mike sich überlegt, musste in der Gegend anfangen, in der sie verschwunden war. Er war deshalb noch einmal durch die Straߟen dort gegangen und hatte sich aufmerksam umgeschaut. Selbst die Hinterhöfe hatte er unter die Lupe genommen, sehr zum Missfallen der Besitzer, die ihn beschimpften und ihm mit der Polizei drohten.
    Polizei, dachte Mike bitter. Das dauert doch ewig, bis die in die Gänge kommen. Er wusste, dass er dem Kommissar Unrecht tat. Immerhin war er sofort bereit gewesen, sich mit ihnen zu unterhalten. Seine Fragen hatten gezeigt, dass er nicht nur intelligent, sondern auch feinfühlig war. Vor allem hatte er auf die bequemen, billigen Floskeln verzichtet, die Mike insgeheim erwartet hatte.
    Aber Mike hätte die Suche gern vorangetrieben. Jede Stunde, die verstrich, bedeutete für Ilka möglicherweise eine Stunde zusätzlicher Qual. Diese Bilder! Er kriegte sie nicht aus dem Kopf. Ilka mit Fesseln an Händen und Füߟen. In irgendeinem schäbigen, feuchten Kellerloch. Vielleicht war sie verletzt. Vielleicht hatte man sie geschlagen. Oder sogar €¦
    Mike beschleunigte seine Schritte. Er musste aufhören, sich diese Schreckensszenarien auszumalen. Damit half er Ilka nicht. Er brauchte einen klaren Kopf. Und Zuversicht. Zum hundertsten Mal fragte er sich, was wohl passiert sein mochte. Ilka konnte entführt worden sein. (Aber wieso? Ihre Familie war zwar nicht gerade arm, aber doch keineswegs reich genug, um Lösegeld zahlen zu können.) Sie konnte einen Unfall gehabt haben und nun verwirrt umherirren. (Aber was für einen Unfall? Und wieso fiel sie keiner Menschenseele auf?) Jemand konnte sie überfahren und Fahrerflucht begangen haben. (Aber dann hätte man sie doch sicher längst gefunden.).
    Und wenn sie gar nicht mehr lebte?
    Er zwang sich, logisch weiterzudenken. Selbstmord? Ilka hatte nicht gewirkt wie jemand, der vorhatte, sich das Leben zu nehmen. Im Gegenteil. Sie hatte ihm versprochen, die Nacht mit ihm zu verbringen. »Ja«, hatte sie auf seine Fragen geantwortet. Dreimal. Wie Petrus. Nur dass sie ihn nicht verraten hatte.
    Mord?
    Mike trat mit voller Wucht gegen einen Stein, der auf dem Gehsteig lag. Er beobachtete, wie er gegen eine Hausmauer prallte und dann über die Straߟe sprang. Ein Autofahrer hupte und tippte sich an die Stirn. Mike reagierte nicht.
    Was brachte das, die Gegend hier abzulaufen? Er sollte gezielt suchen. Mit einem Foto vielleicht. Leute befragen. Irgendwer musste Ilka doch gesehen haben.
    Gleich fasste er wieder Mut. Was er brauchte, war ein konkreter Plan. Erst jetzt registrierte er, dass es dunkel geworden war. Die Leute beeilten sich, nach Hause zu kommen. Im bleichen Licht der Straߟenlaternen wirkten sie wie Zombies. Mike blieb unschlüssig stehen. Eine Frau, die dicht hinter ihm gewesen war, rempelte ihn unfreiwillig an.
    »Entschuldigung.« Ganz kurz hatte er ihr Gesicht gesehen. Es hatte ihn an Lara Engler erinnert. Und plötzlich wusste er, was er als Nächstes tun würde.
     
    Bert liebte es, in seinem Büro zu sitzen, wenn die meisten schon nach Hause gegangen waren. Kein Telefonklingeln unterbrach seine Gedanken, kein Kollege platzte mit einer Anfrage herein. Die Geräuschkulisse veränderte

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