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Der Maedchensammler

Der Maedchensammler

Titel: Der Maedchensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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es reicht eigentlich für einen Abend.«
    »Hören Sie auf, mich zu behandeln, als wäre ich irgendwie behindert. Natürlich will ich das Vomitorium sehen. Durch diese Tunnel hier zu laufen, hat keine besonders traumatischen Auswirkungen auf mich. Sie hatten Recht, wir sind noch nicht sehr nahe an den Tunnel zum Vorraum herangekommen.«
    »Und im Vomitorium gibt es nichts Großartiges zu sehen.
    Also lassen Sie uns das ein andermal machen.«
    »Nein, ich muss wissen, was mich erwartet.« Gott, sie hatte diese überwältigende Dunkelheit satt. Was für ein Horror musste das für die Diebe gewesen sein, als sie in die Eingeweide der Erde vorgedrungen waren, ohne zu wissen, was sie erwartete.
    »Sie sagten, einige dieser Tunnel sind im Lauf der Jahre eingestürzt. War das hier in der Nähe?«
    »Ich bin auf meinen Erkundungsgängen auf ein paar Sackgassen gestoßen. Aber keine Sorge, die Wände um das Vomitorium herum wirken ziemlich stabil. Ich würde Sie nicht hierher bringen, wenn es gefährlich wäre.«
    Er blieb stehen. »Hier müssen wir abbiegen. Wenn Sie wirklich unbedingt dahin wollen.«
    Sie wollte nicht dorthin gehen. Am liebsten wäre sie auf der Stelle zurück in die Villa und ins Bett gegangen. Sie wollte zurück ins Licht, verdammt. Sie fühlte sich wie lebendig begraben.
    So wie Cira unter den herabstürzenden Felsbrocken lebendig begraben worden war?

    »Jane?«
    »Ich will da hin.« Sie ging an ihm vorbei in den abzweigenden Tunnel. »Sie haben gesagt, es ist nicht weit vom Haupttunnel entfernt. Dann wird das ja nicht lange dauern, oder?«
    Er überholte sie. »Kommt drauf an, was Sie unter ›lange‹
    verstehen. Ich habe das Gefühl, dass Ihnen die Zeit im Moment ziemlich langsam vergeht.«
    Sie versuchte, an etwas anderes als die verfluchte Dunkelheit zu denken. »Cira hat das Vomitorium wahrscheinlich gekannt.
    Das war ihre Stadt, sie war hier zu Hause. Ich kann sie mir direkt vorstellen, wie sie hier rumgelaufen ist, wie sie mit Leuten geredet, wie sie gelacht hat, wie sie mit den Männern ihre Spielchen getrieben hat.«
    »Ich auch. Es ist nicht schwer, sich das vorzustellen.«
    »Nicht für jemanden wie Sie, dessen sexuelle Phantasien sich um Cira drehen. Sie hat getan, was sie tun musste, um zu überleben.«
    »Sie war keine Märtyrerin. Sie hat ihr Leben genossen. Aus den Berichten auf Julius’ Schriftrollen geht hervor, dass sie einen ziemlich derben Humor gehabt hat, aber Julius hat ihr das nachgesehen, weil sie offenbar im Bett eine Göttin war.«
    »Wie gönnerhaft. Sie muss wirklich einen ausgeprägten Sinn für Humor gehabt haben, wenn sie gezwungen war, mit ihm ins Bett zu gehen.«
    »Kein Zwang. Freie Entscheidung. Es war Ciras Entscheidung, Jane.«
    »Die Entscheidung wurde ihr durch ihre niedere Geburt und durch die widrigen Umstände aufgezwungen. Was stand noch über sie in den Schriftrollen?«
    »Dass sie ihren Freunden gegenüber großzügig und ihren Feinden gegenüber skrupellos war, und dass es gefährlich war, sich mit ihr anzulegen.«
    »Wer waren denn ihre Freunde?«
    »Die Schauspieler am Theater. Außer denen hat sie niemandem vertraut.«
    »Keine Familie?«
    »Nein. Sie hat einen Straßenjungen bei sich aufgenommen, und es heißt, sie sei sehr liebevoll mit ihm umgegangen.«
    »Und weiter wurde niemand erwähnt?«
    »Nicht, soweit ich mich erinnere. Die Texte auf den Schriftrollen beschreiben in erster Linie ihre Schönheit und ihre sexuellen Fähigkeiten, nicht ihre Vorzüge als Stiefmutter.«
    »Chauvinistisches Schwein.«
    Trevor lachte in sich hinein. »Ich oder Julius?«
    »Beide.«
    »Chauvinist oder nicht, immerhin war er bereit, für sie zu töten. Auf einer Schriftrolle wird seine Überlegung beschrieben, seinen Rivalen umzubringen, der ihm Cira wegnehmen wollte.«
    »Und wer war das?«
    »Den Namen erwähnt er nicht. Es ging wohl um einen jungen Schauspieler, der erst kurze Zeit zuvor nach Herkulaneum gekommen war und die Stadt im Sturm erobert hatte. Offenbar hat er Ciras Herz ebenso mühelos erobert, und das hat Julius in Rage versetzt.«
    »Und? Hat Julius ihn getötet?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Viel wahrscheinlicher hätte er versucht, Cira zu töten, sollte sie bei dem Entschluss geblieben sein, ihn zu verlassen.«
    »Meinen Sie? Interessant.«
    Überhaupt nicht interessant. Grauenhaft. Und nur ein kleiner Einblick in das schreckliche Leben, das Cira geführt hatte.
    Trevor blieb stehen. »Hier muss Joe rauf, wenn er seinen Posten auf dem

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