Der Maedchensammler
Marktschreiern, Akrobaten und Jongleuren. Sklaven trugen vornehme Damen in Sänften durch die Straßen. In den öffentlichen Bädern waren Männer dabei, sich zu entkleiden, um sich von Dienerinnen waschen zu lassen. Zur Feier des Tages wurden sportliche Wettkämpfe ausgetragen, und die Sieger schickten sich gerade an, ihre Lorbeerkränze entgegenzunehmen. Die Sportler waren halbwüchsige Jungs, sie waren nackt und braun gebrannt und stolz auf ihre Leistungen.
Mosaikkünstler waren dabei, ihre bunten Steine zurechtzuschneiden, Bäcker bereiteten Brot und Kuchen zu, und Cira und ihre Schauspielerkollegen probten für ein Stück, das im prunkvollsten Theater der römischen Welt aufgeführt werden sollte.« Er ließ einen Augenblick verstreichen. »Ich kann Ihnen noch mehr erzählen. Wollen Sie es hören?«
»Nein.« Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie konnte die bittersüße Atmosphäre jenes späten Vormittags beinahe sehen und schmecken. »Nicht jetzt.«
»Sie sagten, Sie wollten einen Eindruck von Ciras Zeit bekommen.«
»Den haben Sie mir wahrhaftig vermittelt«, antwortete Jane mit zitternder Stimme. »Unvorstellbar, dass das alles mit einem Wimpernschlag untergegangen sein soll.«
»Nein, nicht unvorstellbar. Wir Menschen sind sehr effizient im Zerstören, auch ohne die Hilfe der Natur.
Denken Sie nur an Hiroshima. Außerdem war es eher ein Brüllen als ein Wimpernklimpern. In zeitgenössischen Berichten heißt es, es sei ein Brüllen wie von Stieren gewesen, das aus dem Innern der Erde zu kommen schien. Über allem lag ein beißender, schwefliger Rauch, und eine pilzförmige Wolke schoss aus dem Berg.«
»Und die Leute haben alles fallen lassen, was ihnen lieb und teuer war, und sind um ihr Leben gerannt.«
»Diejenigen, die konnten. Sie hatten nicht viel Zeit.«
Keine Luft.
Keine Zeit.
Plötzlich fiel ihr das Atmen wieder schwer. »Ich will hier raus.
Wie weit sind wir noch von dem Tunnel entfernt, wo sich angeblich der Vorraum befindet?«
»Er ist gleich da vorn.« Er leuchtete ihr mit der Taschenlampe ins Gesicht. »Sie sehen gar nicht gut aus. Wollen Sie umkehren?«
»Nein, gehen wir. Zeigen Sie mir die Stelle. Deswegen sind wir hergekommen.«
»Nein, das ist nicht der Grund. Wir sind hier, weil Sie das Theater unbedingt sehen wollten. Es geht Ihnen nicht aus dem Kopf.«
»Es ist doch logisch, dass ich mir dieses Theater ansehen will, wenn die Frau, die aussieht wie ich –«
»Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Sie wollten herkommen, ich habe Sie hergeführt. Jetzt wollen Sie umkehren.
Ich bringe Sie zurück. Aber die wichtigste Ausgrabungsstätte haben Sie noch gar nicht gesehen. Durch den nächsten Tunnel gelangt man bis an die Bühne.«
Jane schaute ihn an und schluckte. »Nein. Ich will nur noch sehen, wo Sie und Sontag den Sarg deponiert haben, dann möchte ich zurück.«
Trevor schüttelte den Kopf. »Stur.« Er richtete den Lichtstrahl nach unten und nahm ihre Hand. »Kommen Sie. Wir werfen einen kurzen Blick darauf, dann machen wir, dass wir hier wegkommen. Aber es gibt gar nicht so viel zu sehen. Wir haben den Eingang zu dem Räubertunnel zugemauert, damit niemand zufällig darüber stolpert, bevor wir fertig sind.« Er führte sie den Tunnel entlang. »Ich könnte mir vorstellen, dass der heiße, verrauchte Tunnel in Ihren Träumen viel gemütlicher ist. Hier ist alles so ekelhaft feucht und glitschig.«
»Aber hier kennen Sie sich aus. Sie verirren sich nicht dauernd in Sackgassen.«
»Stimmt, hier kenne ich mich aus. Sie brauchen keine Angst zu haben.«
Sie hatte wirklich keine Angst, wurde ihr plötzlich klar. Seine Stimme vermittelte ihr ebenso ein Gefühl der Sicherheit wie seine Hand, die die ihre umschloss, und sie empfand die Dunkelheit nicht länger als erstickend, sondern … sie kam ihr vertraut vor. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl. Einerseits war ihr danach, ihre Hand wegzuziehen, gleichzeitig hatte sie das Bedürfnis, sich an ihn zu schmiegen. Sie tat weder das eine noch das andere und ließ sich schweigend von ihm in die Dunkelheit führen.
Sie würde das tun, was sie sich vorgenommen hatte. Sie würde sich den Tunnel ansehen und das Vomitorium, wo Trevor seine Falle aufstellen wollte, und dann würde sie möglichst schnell in die Villa an der Via Spagnola zurückkehren.
»Sind Sie sich immer noch sicher, dass Sie das Vomitorium wirklich sehen wollen?«, fragte Trevor, als sie durch den Tunnel gingen, der zur Villa zurückführte. »Ich meine,
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