Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Institute … irgendwo in Sandyford … richtig? Den Namen hab ich mir gemerkt, weil eine Freundin sich dort wegen ihrer Wechseljahresprobleme behandeln lässt. Das ist der einzige Laden in der Stadt, der künstliche … wie nennt man das noch mal … aber Sie wissen ja, was ich meine. Stimmt es also? Eloise, antworten Sie, verdammt!«
Mittlerweile schlägt sie tatsächlich auf den Tisch, so wütend ist sie, weil ich nicht auf sie achte und sie am liebsten wegretuschieren würde. Schließlich starrt der halbe Raum auf uns.
»So, Shania, ich glaube, ich gehe jetzt mit Ihnen raus, frische Luft schnappen. Jetzt gleich … kommen Sie …«
Verzweifelt sehe ich mich nach jemandem um, der mir zur Hilfe eilen könnte, doch niemand rührt sich. Nicht einmal Jake, der meinem Blick ausweicht. Also versuche ich, sie allein vom Stuhl hochzuziehen. Mittlerweile beobachtet auch die andere Hälfte des Raums die kleine Szene. Aber Shania macht sich schwer und rührt sich nicht.
»Finger weg. Ich gehe nirgendwohin!«, kreischt sie und schlägt kräftig nach mir. »Ich will noch einen Drink!«
»Verzeihung, gibt es irgendein Problem?«, erkundigt Jimmy sich höflich durchs Mikrofon.
»Nein, äh … überhaupt nicht! Alles bestens!«, rufe ich gekünstelt fröhlich und lächle so verkrampft, dass ich Muskelzuckungen bekomme.
Inzwischen bemerke ich zu meiner großen Verlegenheit, dass sämtliche Augen im Raum auf Shania und mich gerichtet sind. Nur Jake blickt schweigend und reglos geradeaus, als ginge ihn das alles nichts an.
Jake, der bisher den ganzen Abend damit verbracht hat, nach mir zu schauen, auf mich zu achten, mir aufmunternde Worte zuzuflüstern und den Arm um mich zu legen, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Und nun ist diese unsichtbare Brücke zwischen uns plötzlich zerbrochen.
»Verdammte Scheiße, Eloise, lassen Sie mich los!«, schreit Shania. »Ich wollte Ihnen nur ein Kompliment machen, Sie dumme Pute!«
Vor Erleichterung werden mir fast die Knie weich, als ich Robbie sehe, der aufspringt, um mir zu helfen, sie hinauszubringen.
»Ich will Ihnen nur sagen«, zetert Shania, als wir sie gewaltsam nach draußen zerren, »dass ich es genauso machen würde wie Sie, wenn ich noch eine zweite Chance hätte! Ich würde mich nicht mehr mit einem Kerl abgeben, sondern einfach zu einer Samenbank gehen, und damit basta. Lassen Sie mich jetzt endlich los, verdammt!«
Unterdessen schaut Seth zwischen Jake und mir hin und her, und zwar mit einem Gesichtsausdruck, der wohl »der Abend verspricht, interessant zu werden« besagen soll.
»Sie wissen ja, in vino veritas , wie es so schön heißt«, verkündet er seinem Umfeld, während Robbie und ich Shania weiter hinausbugsieren.
Es kostet mich meine gesamte Selbstbeherrschung, nicht umzukehren, ein Glas Rotwein zu nehmen und es Seth über den schmierigen Kopf zu kippen.
Ein richtig lautstarker Streit, bei dem die Fetzen fliegen, wäre mir lieber. Damit würde ich klarkommen. Mit Zorn, Leidenschaft, aufgewühlten Gefühlen und Angst kann ich umgehen. Das wäre offen gestanden kein großer Unterschied zu meinem Arbeitsalltag bei der Post .
Aber nicht damit. Damit nicht.
Vier endlose Stunden später sind Jake und ich wieder in unserem Zimmer. Irgendwie haben wir es geschafft, den restlichen Abend durchzustehen, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Doch jetzt können wir uns nicht mehr aus dem Weg gehen. Und es ist unbeschreiblich schrecklich. So, als wäre der warmherzige, rücksichtsvolle, einfühlsame Jake, mein Freund Jake, mein Kumpel, wie ich ihn noch vor wenigen Stunden kannte, einfach verschwunden. An seine Stelle ist eine Art Avatar getreten, der zwar so aussieht und klingt wie er, aber sich mir gegenüber eiskalt und abweisend verhält und nur einsilbig mit Ja und Nein antwortet.
Noch vor ein paar Stunden hatte ich alles, was ich für mich und Lily wollte, in diesem Zimmer. Und nun, nun umkreisen wir uns steif wie Fremde. Die Anziehungskraft und Sehnsucht, die sich den ganzen Abend in seinen Augen gemalt haben, haben sich schlagartig in Luft aufgelöst. Da ich seine Miene nicht deuten kann, betrachte ich ihn und warte darauf, dass das Beil fällt. Doch es passiert nichts. Ich weiß nur, dass er wütend ist, was man, wenn man ihn nicht kennt, nie bemerken würde, so still ist er.
Sobald wir die Zimmertür hinter uns geschlossen haben und unter uns sind, fängt er an zu packen.
Verdammt.
Also versuche ich es mit Vernunft.
»Jake, es ist doch Unsinn, jetzt
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