Der männliche Makel: Roman (German Edition)
eigenen Therapeuten anzuvertrauen. Ganz zu schweigen von einer Person wie mir, mit der sie bis zum heutigen Abend kaum ein Wort gewechselt hat.
»Alle hier hassen mich«, lallt sie und rückt mir dabei so auf die Pelle, dass ich wegen ihrer Fahne fast zu husten anfange. »Sogar …«, fügt sie hinzu, wobei sie gefährlich ins Schwanken gerät, »… oder insbesondere er.« Diese Worte schleudert sie mir praktisch entgegen, und als ich höflich ihrem Blick folge, wird mir klar, dass sie keinen anderen meint als Sir Gavin, ihren Mann.
»Ich bin ziemlich sicher, dass er eine Affäre hat. Sie ist erst vierunddreißig. Irgendeine Journalistenzicke. Er glaubt, ich wüsste es nicht …« – ihre Stimme senkt sich zu einem theatralischen Flüstern –, »aber ich überprüfe jeden Monat seine Telefonrechnung und seine Kreditkartenauszüge … was halten Sie davon?«
Ich nicke so mitfühlend ich kann, während ich mich hilfesuchend nach Rettung umsehe. Ich werfe einen panischen Blick zu Jake. Doch Seth monopolisiert ihn immer noch, und er ist zu weit weg, um mir zu helfen.
»Ich gebe Ihnen einen Rat, Eloise«, fährt sie fort. »Lassen Sie die Finger von den Männern. Selbst von dem tollen Typen, den Sie heute Abend mitgebracht haben. Haben Sie Ihren Spaß mit ihm, und jagen Sie ihn dann zum Teufel. Führen Sie Ihr eigenes Leben. Verstehen Sie mich?«
Ich nicke beschwichtigend und gebe mitfühlende Geräusche von mir. Zugleich spitze ich die Ohren, um herauszufinden, was Seth von Jake in Erfahrung bringen will. Das wenige, was ich verstehe, lässt mich erstarren.
»Welche Schule haben Sie denn besucht?«, bohrt Seth. »Und woher kommen Sie ursprünglich? Ich kann Ihren Akzent nicht richtig einordnen, und normalerweise bin ich ziemlich gut darin. Könnte ich Ihre Eltern oder Ihre Angehörigen kennen? Haben Sie Geschwister? Und was machen die so beruflich? Und womit haben Sie Ihre Brötchen verdient, bevor Sie bei der Sprachenschule angefangen haben? Und wo, sagten Sie, haben Sie studiert? An welchem College? Warum? Und wovon haben Sie da gelebt? Und wo?«
Seth ist stocknüchtern. Wahrscheinlich ist er der einzige Mensch im Raum, der inzwischen nicht wegen der Hitze und von zu viel Alkohol rot im Gesicht ist. Ich beuge mich so weit zurück wie möglich, um Jakes Antworten zu verstehen oder seinen Blick aufzufangen. Doch Shania hat den sechsten Sinn, mit dem Betrunkene es erspüren, wenn sich jemand von ihnen loseisen will, und packt mich jedes Mal so fest am Arm, dass ich fast blaue Flecken kriege, um mich wieder zurückzuholen.
Der Himmel weiß, was Seth alles aus dem armen Jake herausholt. Inzwischen ist Shania nicht mehr betrunken, sondern nur noch peinlich, und wenn sie erst einmal in Fahrt ist, kann sie nichts mehr aufhalten.
»Jetzt verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Eloise«, sagt sie und spuckt mich dabei an, »… dieser Typ, den Sie da dabeihaben … Jack?«
»Jake«, verbessere ich sie geistesabwesend, da ich mit meinen Grübeleien ganz weit weg bin.
»Ja … den mein ich, Jake. Sieht wirklich spitze aus, Eloise. Und Sie haben sich seitdem so verändert, das sagen alle … die ganze Party redet über Sie …«
Oh mein Gott, halt endlich den Mund. Sei still … merkst du denn nicht, wie du mich blamierst?
»Und sexy ist er auch. Der starke, zurückhaltende Typ. Den würd ich nicht von der Bettkante stoßen, wenn der Idiot, mit dem ich verheiratet bin, nicht dauernd rüberglotzen würde …«, verkündet sie in schneidendem Tonfall.
»Trinken Sie doch einen Schluck von dem erfrischenden Eiswasser«, fordere ich sie gekünstelt fröhlich auf. Alles, nur damit sie endlich mit diesem peinlichen Thema aufhört und ich wieder weiter vor mich hin grübeln kann.
»Ach, scheiß auf das Wasser!«, ruft sie aus und stößt so heftig meinen Arm weg, dass mir ein Teil davon übers Kleid schwappt.
»Und jetzt hören Sie mir mal zu, Eloise. Ich mochte Sie schon immer. Immer. Auch wenn alle anderen behauptet haben, Sie seien eine blöde Zicke, die nur für ihren Job lebt … aber ich habe Sie immer verteidigt. Das stimmt nicht, habe ich gesagt. Sie sind nicht die herrschsüchtige Sadistin, für die alle Sie gehalten haben.«
Anstelle einer Antwort zermartere ich mir das Hirn nach einem Weg, sie endlich zum Schweigen zu bringen.
Und sie redet immer weiter.
»Wollen Sie wissen, was ich gesagt habe?« Shania stupst mich so heftig an, dass ich fast vom Stuhl falle. »Mir ist es scheißegal, wie ihr über Eloise
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