Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Eloise mobil anzurufen, doch es läutete, ohne dass sie sich gemeldet hätte. Auch der zweite Versuch war vergeblich. Deshalb hinterließ er ihr eine Nachricht, aber sie rief nicht zurück.
Also musste es viel schlimmer um sie stehen, als er gedacht hatte.
Mist, sagte er sich entsetzt. Seine Gedanken überschlugen sich, und er hatte die schrecklichsten Befürchtungen. Warum war er ihr seit diesem elenden Wochenende aus dem Weg gegangen? Weil er sich in Selbstmitleid gesuhlt hatte, das war der Grund. Er hatte sich verkrochen und nach dem Schock seine Wunden geleckt. Wie ihm inzwischen klar war, hatte er Nabelschau betrieben und niemanden sehen oder sprechen wollen, bis er wieder einen klaren Kopf hatte. Er wusste nicht, wie er Ben dafür danken sollte, dass er ihm eine Unterkunft gegeben hatte, als er mit dem Rücken zur Wand stand.
Und nun das. Der Himmel allein wusste, was Eloise durchgemacht hatte, seit es die Spatzen von den Dächern pfiffen … und sie ging einfach nicht ans Telefon, verdammt …
Melde dich, bitte melde dich …
Wie mochte sie sich wohl fühlen?, fragte er sich voller Angst. Und im nächsten Moment fiel ihm noch etwas Schreckliches ein.
Ihre Tochter. Seine Tochter. Mein Gott, was, wenn es den Medien gelang, das kleine Mädchen in die Sache hineinzuziehen … Lily …
Zwei Minuten später hastete Jake nach oben, um mit Ben zu sprechen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so in Panik gewesen zu sein.
»Ben«, sagte er mit belegter Stimme. Ben, der gerade eine Tasche packte, weil Josh bei einem Freund übernachten wollte, hielt in seiner Arbeit inne und erkannte auf den ersten Blick, dass eine Katastrophe passiert sein musste.
»Ganz ruhig«, meinte er. »Erzähl mir einfach, wie ich dir helfen kann.«
»Notfall. Ich brauche dein Auto.«
»In deinem Zustand lass ich dich nicht ans Steuer«, erwiderte Ben beschwichtigend. »Ich bringe dich hin.«
Kapitel siebzehn
Die letzten dreißig Minuten hatte Eloise wie betäubt und apathisch in ihrem Büro gesessen. Sie ließ das Telefon Telefon sein und achtete auch nicht auf die Mails, die mit einem nachdrücklichen Ping in ihrem Posteingang landeten. Ihr Handy war auf stumm geschaltet. Hin und wieder leuchtete ein verpasster Anruf auf … den sie standhaft ignorierte. Sie konnte nur reglos aus dem Fenster hinter ihrem Schreibtisch hinunter auf die Straße starren, wo das Leben weiterging. Die Menschen eilten geschäftig auf der Tara Street hin und her. Sie hatten etwas zu erledigen oder wurden irgendwo erwartet. So wie sie früher einmal.
Wie können sie einfach tun, als wäre nichts geschehen?, fragte sie sich. Und das, obwohl sich ihr eigenes Leben inzwischen im freien Fall befand. Ahnten sie denn nicht, welche Höllenqualen sie ausstand? Sieben lange Jahre hatte sie in diesen Arbeitsplatz investiert, und nun würde er ihr binnen Sekunden weggenommen werden. Einfach so. Ein Fehler, eine falsche Entscheidung, wie Sir Gavin es ausgedrückt hatte, und alle ihre Bemühungen waren zunichtegemacht.
Es klopfte an der Tür, und im nächsten Moment stand Ursula, Rachels Vertretung, vor ihr.
»Äh … ich störe Sie wirklich nur ungern, Eloise«, entschuldigte sie sich. »Aber ich soll Ihnen ausrichten, dass Sie seit etwa zehn Minuten oben im Sitzungssaal erwartet werden. Es wurde eine außerordentliche Sitzung einberufen. Man hat Sie angerufen, aber Sie … Sie gehen nicht ran.«
Eloise nickte und schaffte es sogar, ihr zittrig zuzulächeln. Ob Ursula es schon weiß?, fragte sie sich. Ja, natürlich tut sie das. Inzwischen war vermutlich die ganze Redaktion im Bilde. Die Nachricht hatte sich bestimmt binnen weniger Minuten im gesamten Gebäude verbreitet wie ein Lauffeuer. Und währenddessen hatte sie sich feige in ihrem sicheren Büro verschanzt, voller Angst vor dem Gang in die obere Etage, wo ihr ein Donnerwetter bevorstand. Und alle Blicke würden ihr folgen, wohl wissend, dass sie Mist gebaut hatte.
Nun konnte sie es nicht länger hinausschieben. Schließlich war sie Auseinandersetzungen noch nie ausgewichen und würde es auch jetzt nicht tun. Also würde sie den Stier tapfer bei den Hörnern packen und den Kopf hoch erhoben tragen. Und danach würde sie sich so schnell wie möglich nach Hause flüchten, um ihre Wunden zu lecken. Nach Hause zu Lily und zu Helen, wo sie hingehörte.
Wieder klopfte es, diesmal nachdrücklicher.
»Herrgott, ich komme ja schon!«, schimpfte sie gereizt, biss sich aber sofort auf die Zunge und drehte sich um,
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