Der männliche Makel: Roman (German Edition)
um sich bei Ursula zu entschuldigen. Doch als sie aufblickte, war es gar nicht Ursula. Kurz verschwamm alles, und sie traute ihren Augen nicht.
Und war nicht sicher, ob sie überhaupt wieder glauben würde, was sie sah.
Denn vor ihr stand Jake.
Im nächsten Moment gewannen ihre Instinkte die Oberhand, und bevor sie Zeit zum Nachdenken hatte, warf sie sich ihm schluchzend in die Arme und weinte bittere Tränen, die sie sich sonst nie erlaubte.
»Pst, Liebling«, murmelte er beruhigend, drückte sie fest an sich und schlang beschützend die Arme um sie. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Ich musste einfach kommen …«
»Ach, Jake, ich habe immer wieder darüber nachgedacht, was ich dir angetan habe. Es war falsch, dich so zu täuschen …« Sie hielt inne und wischte sich die Tränen ab, die nicht mehr zu fließen aufhören wollten.
»Ach, das alles ist doch nur meine Schuld«, erwiderte er leise. »Wenn du mir nie begegnet wärst, hättest du jetzt keine Probleme. Dein Name wäre nie in den Schmutz gezogen worden …«
»Sag nicht so etwas«, flüsterte sie. Es war unbeschreiblich tröstend, sich an ihn zu klammern, seinen vertrauten Geruch zu schnuppern und sich an seine Brust zu schmiegen. Sie fühlte sich klein, zerbrechlich, ermattet und so unbeschreiblich hilflos.
»Pst, Liebling, später«, erwiderte er, und sie hätte schwören können, dass seine Stimme die einzige ruhige und freundliche war, die sie den ganzen Tag gehört hatte. »Wir reden später. Jetzt möchte ich, dass du mitkommst und einen Bogen um diesen Laden machst, bis Gras über die dämliche Geschichte gewachsen ist.«
»Ich … ich kann nicht«, antwortete sie mit dünner Stimme, die sie kaum als ihre eigene erkannte. »So einfach ist das nicht. Ich werde oben erwartet. Vom gesamten Vorstand. Das wird wie eine öffentliche Kreuzigung.«
»Aber Eloise, und wenn der Medienrummel noch so groß ist, können sie dich doch nicht rausschmeißen, weil du mich kennst. In diesem Fall könntest du sie vors Arbeitsgericht zerren.«
»Nein, das könnten sie wirklich nicht. Aber das ist auch nicht der Grund, warum sie mich rausschmeißen.«
»Sondern?«
»Weil … weißt du … ich … vor ein paar Tagen … ach, Scheiße.« Ihre Stimme erstarb, und sie fühlte sich plötzlich so schwach, dass sie sich setzen musste, damit ihr die Knie nicht nachgaben.
Vorsichtig führte Jake sie zu einem Sessel, bugsierte sie hinein, kauerte sich neben sie und streichelte ihre Hand.
»Erzähl es mir«, forderte er sie auf und sah sie an.
»Ich wusste schon vor Tagen, dass der Prozess gegen Courtney eine große Sache wird. Wir alle wussten es. Die Post wollte einen Artikel über ihn bringen, in dem du auch namentlich genannt worden wärst. Und deshalb habe ich die Story sterben lassen. Sie gestrichen. Natürlich hat die Konkurrenz sofort Lunte gerochen und rausgekriegt, dass wir uns kennen, und jetzt …«
Sie brach ab, denn sie konnte nicht mehr weitersprechen. Der Rest war offensichtlich. Und für eine Geschichte wie diese gab es nur ein mögliches Ende. Eines, das an eine griechische Tragödie erinnerte.
»Du hast es … für mich getan?«
Mit Tränen in den Augen schaute sie zu ihm auf und nickte wortlos.
Im nächsten Moment schloss Jake sie in die Arme.
Das Telefon läutete zum wohl hundertsten Mal.
»Das sind sie«, stellte sie fest und machte sich los. »Ich muss da durch, Jake. Ich muss rauf und mich den Vorwürfen stellen. Lass uns den Tatsachen ins Auge sehen. Mir bleibt nicht viel anderes übrig, oder?«
»Oh doch.«
Sie starrte ihn verständnislos an.
»Schau dich nur an, Eloise. Du bist ja völlig fertig und überhaupt nicht in der Lage, dich irgendjemandem zu stellen.«
»Ich weiß, ich weiß …«, stammelte sie. »Außerdem mache ich mir solche Sorgen um Helen und Lily … heute war ein Fotograf bei mir zu Hause und hat die beiden belästigt … ich … ach, Jake, du musst mir helfen, ich kann nicht mehr klar denken …«
»Damit steht es fest«, verkündete er. »Ruf den Vorstand an, melde dich krank oder sag, dass du eine Auszeit brauchst, um deine Möglichkeiten neu zu bewerten. Und dann schaffe ich dich hier raus, keine Widerrede.«
Sie betrachtete ihn fassungslos und verstand erst nicht, worauf er hinauswollte. Gehen? Einfach verschwinden und den ganzen Haufen zum Teufel wünschen?
Doch im nächsten Moment kam ihr ein überraschender Gedanke. Im Grunde genommen … interessierte es sie wirklich? Jake hatte recht,
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