Der männliche Makel: Roman (German Edition)
ruhig bleiben«, entgegnete Eloise und wünschte dabei, sie könnte ihren eigenen Rat beherzigen. Denn wenn bereits der erste Fotograf aufgekreuzt war, würden andere sicher mit Lichtgeschwindigkeit folgen. Und falls es einer von ihnen wagen sollte, Lily mit hineinzuziehen …
Jetzt war Improvisieren angesagt. Sie sprach weiter.
»Helen, hör zu. Wie heißt noch mal das kleine Mädchen, von dem Lily immer spricht? Rose? Das Kind, mit dem sie morgen einen Spieltermin hat?«
»Ja … was ist mit ihr?«
»Du verstehst dich doch sehr gut mit ihrer Mum, richtig?«
»Ellen … ja. Aber warum willst du das wissen? Eloise, jetzt mach schon endlich den Mund auf. Allmählich kriege ich Angst.«
»Kannst du sie anrufen und sie fragen, ob Lily heute bei Rose schlafen darf? Mehr brauchst du ihr nicht zu verraten. Vertrau mir einfach. Ich möchte nicht, dass Lily heute Nacht zu Hause ist. Keine Sorge, ich erkläre dir alles, wenn ich zurück bin.«
Entsetzt stimmte Helen zu und legte auf. Dass Eloise Lily erlaubte, anderswo zu übernachten, war noch nie vorgekommen, sosehr das Kind auch betteln mochte.
Helen hatte nicht die leiseste Ahnung, was da gespielt wurde. Aber sie würde es ja bald genug herausfinden. Bis dahin hatte sie Dringenderes zu tun.
Während Lily im Hintergrund jammerte, griff sie wieder zum Telefon und wählte die Nummer der Sprachenschule.
»Tante Helen«, schluchzte Lily, die noch im Buggy saß, »warum sind wir reingegangen? Können wir bitte wieder rausgehen? Mir ist so schrecklich langweilig. Ich will gehen!«
Helen zauste beruhigend ihr Lockenköpfchen und kramte ein Päckchen Schokolinsen aus ihrer Tasche, um sie aufzuheitern … zumindest für den Augenblick.
»Pst, Lily, sei ein braves Mädchen. Vielleicht habe ich für heute Abend sogar noch eine bessere Überraschung. Aber dazu musst du mucksmäuschenstill sein und mich telefonieren lassen.«
»Was für eine Überraschung?« Lily musterte sie argwöhnisch. Ihr Weinen verstummte, während sie über diese Option nachdachte.
»Einen Moment, Schatz«, sagte Helen, als jemand ans Telefon ging.
»Englisches Spracheninstitut«, meldete sich dieselbe gelangweilte Stimme wie zuvor.
»Hallo, ich habe vor ein paar Minuten schon einmal angerufen, um Jake Keane zu sprechen. Ist er inzwischen da? Ich muss wirklich dringend mit ihm reden.«
»Nein, tut mir leid, noch nicht. Außerdem kommt er zu spät zum Unterricht. Sie können ja eine Nachricht hinterlassen, wenn Sie möchten.«
»Mach schon, Tante Helen … ich will wissen, was das für eine Überraschung ist. Jetzt!!!«, kreischte Lily vom Kinderwagen aus. Helen musste einsehen, dass es zwecklos war. So höflich sie konnte, hinterließ sie Namen und Telefonnummer und legte auf, um sich um Lily zu kümmern. Inzwischen verstand sie die Welt nicht mehr.
Wenn Jake nicht bei der Arbeit war, wo er eigentlich hätte sein sollen, wo war er dann?
Im selben Moment saß Jake, den Kopf in die Hände gestützt, in Bens kleinem Arbeitszimmer vor dem Computer und war völlig verzweifelt.
Denn nun war der schlimmstmögliche Fall eingetreten. Das, wovor er sich am meisten gefürchtet hatte. Courtney kam vor Gericht, und er wurde in den Skandal hineingezogen. Gut, dass Ben ihn gewarnt hatte, als sein Name mit Foto heute Morgen in der Zeitung gewesen war. Allerdings ahnte Ben nicht, was das für Folgen haben würde. Er hatte sich nur Sorgen um Jakes Ruf an der Sprachenschule gemacht und befürchtet, dass er vermutlich seine Stelle verlieren würde. Anfangs war es ihm ganz ähnlich gegangen.
Nur, dass das seit etwa fünf Minuten sein geringstes Problem war. Als Jake die Geschichte aufmerksam weiter verfolgt hatte, hatte er bemerkt, dass nun auch Eloise in die Angelegenheit verwickelt war. Und jetzt hatte er es vor sich, gestochen scharf in der Online-Ausgabe der Evening News … ein Foto von ihnen beiden, aufgenommen an jenem Abend … dazu ein seitenfüllender Artikel, dessen Inhalt jedoch zum Großteil frei erfunden war.
»Eloise Elliot, der allseits bekannten Chefredakteurin der Post , wurden heute Verbindungen zu Michael Courtney nachgewiesen, dessen Fall nächste Woche vor Gericht verhandelt wird. Offenbar ist Ms. Elliots langjähriger Lebenspartner Jake Keane als Fahrer bei Courtney beschäftigt und wurde vor Kurzem aus dem Gefängnis Wheatfield entlassen, wo er eine zweijährige Haftstrafe verbüßt hat …«
Jake brachte es kaum über sich weiterzulesen. Vom schlechten Gewissen geplagt versuchte er,
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