Der männliche Makel: Roman (German Edition)
nicht total verstellt sind, also eher nicht. Nein, wahrscheinlich hielt es jemand, der so klug und zweifellos begabt ist wie William (es ist so schön, den Namen immer wieder auszusprechen; ich bin machtlos dagegen, William, William, William), für einen selbstlosen humanitären Akt, ein wenig von sich mit seinen Mitmenschen zu teilen. Denn ein Genpool, der so selten und exquisit ist wie der von William, muss sich doch einfach weiterverbreiten.
»Verzeihung, dass es so lange gedauert hat«, entschuldigt sich die freundliche Dame, die schließlich wieder an den Apparat kommt.
»Keine Ursache.« Ich lächle, fest überzeugt, dass William vermutlich mit einer Bestnote abgeschlossen hat und womöglich inzwischen sogar dem Lehrkörper angehört. Wer weiß?
»Allerdings fürchte ich, dass wir hier ein kleines Problem haben.«
»Oh?«
»Es tut mir schrecklich leid, aber offenbar hatten wir unter unseren Doktoranden keinen William Goldsmith, zumindest nicht in den letzten vier Jahren. Laut unseren Unterlagen hat nie jemand dieses Namens hier studiert.«
Mist, Mist, Mist. Was wird hier gespielt?
»Sind Sie ganz sicher? Eine Verwechslung vielleicht?«
»Auf gar keinen Fall, das kann ich Ihnen versichern. Ich habe unsere Computerdateien aus diesem Zeitraum zweimal durchgeschaut. Bei uns hat niemals ein William Goldsmith studiert. Bedaure, aber ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
Sehr seltsam. Warum gibt es keine Aufzeichnungen über ihn im Computer? Doch ich fasse mich rasch wieder. Okay, eine Sackgasse, denke ich. Mehr nicht. Ein kleiner Verwaltungsfehler, eine Hürde, die es zu überwinden gilt, weiter nichts. Ich bedanke mich höflich, lege auf und lasse mich sofort von der Zentrale des Trinity College mit dem Sicherheitsdienst verbinden. Schließlich muss jeder Student einen Ausweis haben, und ich weiß aus meiner eigenen Studentenzeit, dass man ohne Ausweis weder hinein- noch hinauskommt.
Also noch einmal dasselbe Spiel. Ich setze zu einem »Hallo, ich bin die Chefredakteurin von …« an. Allerdings öffnet sich diesmal nicht plötzlich die Geheimtür in der Wand. Weit gefehlt. Stattdessen wird sie mir so schwungvoll vor der Nase zugeknallt, dass es sich wirklich wie eine Ohrfeige anfühlt.
»Tut mir leid, meine Liebe«, erwidert ein gelangweilt klingender Mensch, der offenbar zwanzig Zigaretten am Tag raucht. »Das sind vertrauliche Informationen.«
»Ich glaube, Sie verstehen nicht ganz«, versuche ich es noch mal und unterdrücke dabei meinen flehentlichen Tonfall. »Ich rufe von der Post an. Wir planen einen Artikel …«
»Hören Sie, meine Liebe. Und wenn Sie aus dem Weißen Haus anrufen würden, würde es mich auch nicht sonderlich interessieren. Ich darf keine persönlichen Daten ehemaliger Studenten herausgeben. Dazu ist mir mein Job zu wichtig.«
Okay. Aus meinen Tagen als kleine Anfängerin weiß ich noch, wie man solche Situationen meistert. Zugegeben, es ist nicht ganz koscher, aber manchmal … nur manchmal knackt man so den Jackpot, wenn man bloß nicht die Nerven verliert und die Ruhe bewahrt.
»Wissen Sie«, entgegne ich, während ich rasch im Computer nachschaue, welche Revuen, Veranstaltungen, Filmpremieren in nächster Zeit in Dublin stattfinden. Irgendetwas Schickes und Elegantes, alles, was gerade angesagt ist, »natürlich würde ich nie von Ihnen verlangen, dass Sie etwas tun, womit Sie nicht leben können«, fahre ich in meinem besten einschmeichelnden Tonfall fort. »Aber wenn Sie mir diesen gewaltigen Gefallen täten, würde ich mich natürlich revanchieren. Quidproquo sozusagen.«
»Quidprowas?«
»Wenn Sie zum Beispiel …« Ich scrolle den Computerbildschirm hinunter. Bingo, genau, was ich gesucht habe. »Wenn Sie zum Beispiel ein Fan von U2 wären? Wir werden hier bei der Post mit Freikarten geradezu bombardiert. Falls Sie also jemanden kennen, der auch ein Fan ist, könnte ich Ihnen sicher zwei Stück beschaffen.«
Ich weiß, dass ich mit schmutzigen Tricks arbeite. Doch der Journalismus ist eben auch ein schmutziges Geschäft. Ich verstumme, hole tief Luft und warte ab.
Noch immer keine Antwort.
»Natürlich für das erste Konzert«, füge ich voller Hoffnung hinzu. »Selbstverständlich VIP-Karten. Dass Sie anschließend die Band kennenlernen, versteht sich von selbst. Backstage.«
Doch ich ernte nur ein gelangweiltes Gähnen vom anderen Ende der Leitung.
»Diese Idioten würde ich mir nicht antun, und wenn sie in meinem Garten auftreten würden.«
Ach,
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