Der männliche Makel: Roman (German Edition)
wissend, dass ich vermutlich die wichtigste Entscheidung meines Lebens traf. Und endlich, endlich, endlich stieß ich auf den Richtigen. Keinen Namen, nur eine Nummer, doch er schien alle Anforderungen zu erfüllen. Ire, weiß, blond, blauäugig und hellhäutig, genau so, wie ich mir mein Baby immer vorgestellt hatte. Gene aus dem Supermarkt, zum Leben erwacht.
Außerdem war der Auserwählte offenbar auch sportlich und durchtrainiert. Er hatte Goldmedaillen im Zweihundertmeterlauf gewonnen und war Mitglied der Rudermannschaft des Trinity College gewesen. Das war ein Pluspunkt. Falls das Kind ein Junge wurde, würde er so muskulös aussehen, als führe er überall mit dem Ruderboot hin. Im Profil des Spenders hieß es, er habe seine Doktorarbeit über Irlands ökonomischen Niedergang und den Weg zur Besserung geschrieben, woraus ich sofort schloss, dass er vielleicht ein gut verdienender Fernsehwirtschaftsexperte oder einer dieser schuljungenhaften Fachleute war, die ernst in die Kamera schauen und verkünden, dass wir allesamt dem Untergang geweiht sind, allerdings mit so viel überzeugendem Charme, dass es einen eigentlich gar nicht ängstigt.
Was mich wirklich überzeugte, war dann, dass er laut Profil darüber hinaus auch noch musikalisch war und Klavier auf Konzertniveau spielte. Beinahe konnte ich ihn mir vorstellen. Hochgewachsen, begabt, glatt rasiert, eloquent und ein Allroundtalent. Ein richtiger Renaissancemann. Ein Mann, der mich, sollten wir uns zufällig in einer Kneipe begegnen, keines zweiten Blickes würdigen würde, da er von Blondinen mit Modeloptik, sonnengebräunter Haut und makellosem Hollywoodlächeln umringt wäre.
Allerdings nicht in diesem Fall. Denn im Reilly Institute lag die Entscheidung bei mir. Und ich entschied mich für ihn. So einfach war das. Er war sportlich, akademisch gebildet und kultiviert … was sollte ich mehr verlangen? Vielleicht, dass er es mit fünfundzwanzig schon zum Multimilliardär gebracht hatte?
Und dann war die Wissenschaft an der Reihe. Ein Dr. Casement, der mich betreute, meinte, wir müssten herausfinden, wie viele Schwangerschaften das Sperma dieses Spenders bereits erzeugt hatte. Das teilte er mir mit dem kühlen, klinischen Gleichmut eines Menschen mit, der nur selten mit seinen Zeitgenossen zu tun hat und den ganzen Tag mit dem Auge am Mikroskop klebt. Zehn ist offenbar die empfohlene Obergrenze, um die Wahrscheinlichkeit zu senken, dass der Nachwuchs eines Spenders sich irgendwann begegnet und selbst miteinander ein Kind bekommt. Aber ich hatte Glück. Erstaunlicherweise war ich die erste Frau, die sich für dieses erstklassige Exemplar entschieden hatte. Ein Stein fiel mir vom Herzen.
Danach vergewisserte ich mich zu meiner Zufriedenheit, dass die Probe auf familiäre Herkunft, genetische Makel, sämtliche Erbkrankheiten und nicht zu vergessen ansteckende Erkrankungen wie Chlamydien, HIV, Hepatitis B, Syphilis und natürlich auch Nettigkeiten wie Gonorrhö medizinisch untersucht worden waren. Wahrscheinlich habe ich die Mitarbeiter in der Klinik in den Wahnsinn getrieben. Doch sobald alles geklärt war, war der Rest ein Kinderspiel.
Man erklärte mir, dass die Behandlung einige Male wiederholt werden müsse, bis der Erfolg einträte, weshalb ich nicht enttäuscht sein dürfe, wenn es nicht beim ersten Mal klappte. Aber das kam für mich nicht in Frage. Auf gar keinen Fall würde ich dieses Theater noch einmal durchmachen. Daher suggerierte ich meiner Gebärmutterschleimhaut, dicker zu werden und ihre Pflicht zu tun, und ich hatte zum allgemeinen Erstaunen schon beim ersten Mal Glück.
Lily wurde auf den Schlag neun Monate später geboren, und damit endeten meine Beziehungen zum Reilly Institute.
Das heißt, bis jetzt.
Kapitel vier
Anfangs hat sich Helen tapfer erboten, mir die Detektivarbeit abzunehmen. Doch ich habe ihr erklärt, dass das überflüssig sei. Erstens funktionieren die Dinge nur, wenn man sie selbst in die Hand nimmt, wie Ihnen jeder Zwangsneurotiker, der etwas auf sich hält, bestätigen wird. Und zweitens gibt es eine todsichere Methode, wenn man aufs Geratewohl vertrauliche Informationen am Telefon erfragen will. Der Zauberspruch lautet: »Hallo, ich bin die Chefredakteurin der Post und rufe in folgender Sache an …«
Das wirkt jedes Mal. Wenn die Leute, insbesondere Iren, erkennen, dass man von der Presse ist, öffnen sie ihre Herzen und erzählen einem absolut alles, nur damit ihr Name in der Zeitung erscheint. Oder noch
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