Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Editrix, hier sind Sie also«, meint er schmunzelnd, während ich aufspringe, um ihm die Hand zu schütteln.
Elender Mist. Weshalb, zum Teufel, treibt sich Sir Gavin mit Seth herum? Und noch dazu ausgerechnet hier, obwohl ich so dringend mit Jake allein sein muss? Außerdem: Was tut sich hinter meinem Rücken zwischen den beiden?
»Hallo«, sage ich, um Ruhe bemüht. »Nicht zu fassen, dass Sie sich außerhalb der Redaktion treffen … und noch dazu an einem Sonntag! Ist etwas passiert?«
Eigentlich soll das fröhlich und beiläufig klingen, hört sich aber eher gepresst an.
»Oh, Seth und ich müssen das eine oder andere erörtern«, erwidert er leichthin. »Nichts, worüber Sie sich den Kopf zu zerbrechen brauchen, Madame Editrix. Sie beide scheinen ohnehin beschäftigt zu sein.«
Wenn jemand zu mir meint, ich brauche mir nicht den Kopf zu zerbrechen, verkrampfen sich meine Schultern wie auf ein Stichwort, und ich bekomme Herzklopfen. Und wenn dieser Satz dazu auch noch vom Vorstandsvorsitzenden kommt, bin ich kurz davor, einen Krankenwagen zu rufen.
»Wir wollen uns nur ein kleines Abendessen unter vier Augen gönnen«, näselt Seth selbstzufrieden.
»In der Tat«, sagt Sir Gavin und tätschelt sich den dicken Wanst. »Und wenn wir nicht bald bestellen, Seth, falle ich sicher vor Hunger um.«
Mein Verstand läuft auf Hochtouren. Ein kleines Abendessen? Nur die beiden? So etwas ist noch nie passiert! Deshalb interessiert mich am meisten, wer wohl wen eingeladen hat. Und so verharre ich mit einem gefrorenen Lächeln.
»Äh … möchten Sie sich nicht zu uns setzen?«, frage ich in meiner Verzweiflung.
»Ich will doch Ihren romantischen Abend nicht stören. Einen guten Appetit wünsche ich Ihnen. Wir unterhalten uns lieber unter vier Augen.«
»Dann viel Vergnügen«, erwidere ich mit zitternder Stimme und hoffe, dass es höflich geklungen hat. Allerdings befürchte ich, dass mir meine wahren Gefühle ins Gesicht geschrieben stehen. Ihnen viel Vergnügen, Sir Gavin, aber Seth Coleman soll eine Spargelspitze im Hals stecken bleiben, damit er in einer überfüllten Notaufnahme landet, inmitten von kreischenden Kindern, die sich ihr Töpfchen auf den Kopf gesetzt haben und es jetzt nicht mehr abkriegen. Das wäre die gerechte Strafe für ihn, wenn er hinter meinem Rücken die Fäden zieht. Aber ich werde herausfinden, was da gespielt wird, und wenn es meine letzte Tat im Leben
ist.
»Aber, aber, Eloise, wo sind denn Ihre Manieren?«, sagt Seth, der Schleimer, mustert Jake und hat es auf einmal gar nicht mehr eilig. »Möchten Sie uns Ihren neuen … Freund nicht vorstellen?«
Herrgott, denke ich, plötzlich wütend. Wie macht er das bloß? Wie schafft er es, dass sich das Wort Freund bei ihm anhört wie Gigolo?
Ich nuschle mich durch die üblichen Floskeln und kriege dabei Hitzewellen wie eine Matrone in den Wechseljahren.
»Schon viel von Ihnen gehört«, näselt Seth und mustert Jake von Kopf bis Fuß, während Sir Gavin ihm einfach nur die Hand schüttelt. Dann wartet er geduldig und wirft hin und wieder einen Blick auf die Tafel mit den Tagesgerichten.
»Ebenfalls.« Jake lächelt höflich.
»Also, dann wünsche ich guten Appetit«, sage ich. Zuvor muss ich mich ein paarmal räuspern, um den Satz herauszubekommen.
»Dann lassen wir Sie jetzt in Ruhe.«
Verdammt, denke ich, warum es nicht aussprechen?
»Äh … Sir Gavin, sind Sie sicher, dass ich mich nicht für das, was Sie erörtern wollen, zu interessieren brauche?«
»Völlig überflüssig. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie haben ohnehin genug um die Ohren. Das ist ja nicht zu übersehen. War nett, Sie kennenzulernen, Jake.«
»Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite, Sir Gavin.« Jake lächelt freundlich und lässt sich von der Situation nicht beirren. Ich hingegen stehe da und ringe die nassgeschwitzten Hände.
Fast ist es überstanden, doch Seth bleibt noch einmal an unserem Tisch stehen und dreht sich um wie Peter Falk in Columbo .
»Ach, noch etwas … Jake, richtig?«, sagt der widerliche Schleimer. »Ich nehme an, wir sehen uns am nächsten Wochenende bei der Einladung des Vorstands.«
Anstelle einer Antwort wirft Jake mir einen fragenden Blick zu, weshalb ich versuche, mich aus der Affäre zu ziehen.
»Wissen Sie, ich glaube, das wird nicht klappen …«, stammle ich. »Jake unterrichtet, und seine Arbeitszeiten sind ein wenig …«
»Unsinn, natürlich müssen Sie kommen«, beharrt Seth. Offenbar spürt der Mistkerl, wie
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