Der männliche Makel: Roman (German Edition)
anfangen soll. Ich bin so ein Feigling.
»Schön, dass du dir ein bisschen freinimmst und etwas Ordentliches isst.« Als er mir über den Tisch hinweg zulächelt, funkeln seine Augen.
Ich antworte nicht. Im nächsten Moment nehme ich die Hintergrundmusik wahr: Marilyn Monroe singt My Heart Belongs To Daddy . Ein Zeichen?
»… weißt du, deine schauderhaften Essgewohnheiten machen mir Sorgen …«
Ich nicke geistesabwesend, weil meine Gedanken immer noch um ein und dasselbe Thema kreisen und ich überlege, wie ich die Sache am besten angehen soll. Dabei fühle ich mich wie ein Kind, das sich in ein kompliziertes Lügengebilde verheddert hat.
Weißt du was, Jake? Du bist Vater … und ich habe es dir nie erzählt. Ach, und übrigens belüge ich dich schon seit unserer ersten Begegnung … Äh … wahrscheinlich keine gute Idee.
»… außerdem finde ich es immer schön, mit dir in einem richtigen Restaurant zu sitzen« – er grinst mir über den von einer Kerze erleuchteten Tisch zu –, »anstatt dich zu überreden, zwischen zwei Besprechungen wenigstens ein Sandwich hinunterzuschlingen.«
Noch immer keine Reaktion von mir. Inzwischen ist unser Essen da, und während Jake sich hungrig über seine doppelte Portion Cannelloni hermacht, plaudert er vergnügt weiter. Ich stochere in meinem Salat nach Art des Hauses herum und gebe vor zu essen. Allerdings braucht er wie immer nicht lange, um zu bemerken, dass etwas mit mir nicht stimmt, und sagt es mir sofort ins Gesicht.
»Eloise?«
»Hm?«
»Worüber habe ich gerade gesprochen?«
»Äh …«
»Hab ich’s doch gleich gewusst. Du warst ganz weit weg.«
»Entschuldige, ich bin nur ein bisschen …«
»Ich habe ausführlich über meine Abschlussprüfungen gejammert, die nächste Woche anstehen. Normalerweise hättest du schon längst dein iPad herausgeholt und einen Lernplan für mich aufgestellt. Aber stattdessen starrst du ins Leere und bist total geistesabwesend. Fehlt dir etwas?«
»Tut mir leid, Jake«, reiße ich mich aus meinen Grübeleien. »Ich wollte nicht unhöflich sein. Deine Prüfungen sind wichtig. Erzähl mir mehr.«
»Lassen wir die dämlichen Prüfungen für einen Moment.«
»Nein, schieß los.«
»Ein andermal«, entgegnet er, schiebt seinen Teller weg und mustert mich eindringlich. »Jetzt will ich erst mal wissen, was mit dir ist. Du bist heute so anders als sonst und hast auf dem Weg hierher kaum ein Wort geredet. Also raus mit der Sprache: Was bedrückt dich?«
Aber ich kann ihm nicht antworten. Verdammter Mist, genauso benimmt sich Lily, wenn sie in Schwierigkeiten steckt. Sie schweigt eisern, sodass ich ihr alles aus der Nase ziehen muss.
»Eloise, du machst mir allmählich Sorgen. Ist etwas passiert?« Inzwischen starrt er mir direkt ins Gesicht. Da komme ich nicht mehr raus. »Gibt es bei der Arbeit etwas oder jemanden, der dir Probleme macht? Komm schon, du weißt, dass du mir alles erzählen kannst. Du kannst immer mit mir reden. Oder sind die Wände hier von den Tyrannosauriern bei der Post verwanzt?«
»Jake, ja, ich muss wirklich mit dir über etwas sprechen.«
»Dann tu es. Es ist in Ordnung, ganz gleich, worum es geht. Du kannst mir alles sagen.«
»Kann ich das wirklich, Jake?«
»Natürlich.«
Mist, wo bleibt denn das dämliche Glas Wein, das ich bestellt habe? Ich brauche Alkohol, um das durchzustehen. Und zwar dringend.
»Nun … du und ich hatten doch abgemacht, unser Privatleben auszusparen.«
»Äh, ja …«
»Die Sache ist …« Wieder verstumme ich hilflos.
Schweigen entsteht, und ich könnte schwören, dass ich seinen bohrenden Blick spüre.
»Eloise … warst du … das heißt, bist du …«
»Ich versuche, dir zu erklären …«
»Eloise, bist du verheiratet? Ist es das, was du mir mitteilen möchtest?«
Nun macht er ein ratloses und leicht gekränktes Gesicht.
»Nein! Wie kommst du denn auf die Idee?«
»In einer festen Beziehung? Lebst du mit einem Typen zusammen, der nichts von mir erfahren darf?«
»Nichts von alldem. Du hast das völlig falsch verstanden … es ist nur …«
»Aber, aber, wen haben wir denn da? Von allen Spelunken auf der ganzen Welt …«
Mist, Mist und noch mal Mist. Verdammt, das darf doch nicht wahr sein. Neben uns steht Seth Coleman, und dicht hinter ihm erkenne ich, ein übliches gütig-leutseliges Lächeln auf den Lippen, keinen anderen als Sir Gavin Hume, der die Szene – mich, Jake, den Blumenstrauß, das Kerzenlicht – auf sich wirken lässt.
»Ah, Madame
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