Der magische Pflug
Larner.« Er fuhr mit der Hand in die Tasche und holte eine Münze hervor.
»Hier ist ein Dollar für die ersten beiden Wochen.«
Peggy musterte die Münze. »Ich dachte, Ihr wolltet diesen Dollar Dr. Physicker zurückgeben.«
»Ich möchte doch nicht, daß er sich unbehaglich fühlt, nur weil er so viel Geld hat, Miss Larner.« Er grinste.
Er mag zwar schüchtern sein, aber er kann nicht allzu lange ernst bleiben. Ihm sitzt immer irgendwie der Schalk im Nacken, und früher oder später zeigt er sich auch.
»Nein, das wollt Ihr wohl nicht«, meinte Miss Larner. »Der Unterricht beginnt nächste Woche. Danke für Eure Hilfe.«
In diesem Augenblick kamen Vater und Mutter den Weg entlang. Vater trug eine große Badewanne über dem Kopf und taumelte unter ihrem Gewicht. Alvin lief sofort zu ihm, um ihm zu helfen – oder, genauer, um die Badewanne einfach selbst zu nehmen und sie zu tragen.
Und so sah Peggy zum ersten Mal seit über sechs Jahren das Gesicht ihres Vaters wieder – rot, schwitzend, schnaufend von der Anstrengung des Tragens. Und wütend, oder wenigstens mürrisch. Obwohl Mutter ihm zweifellos versichert hatte, daß die Lehrerin nicht halb so arrogant war, wie sie zunächst gewirkt hatte, war Vater immer noch ärgerlich, daß eine Fremde im Bachhaus wohnte, das doch einst allein seiner schon lange verlorenen Tochter gehört hatte.
Peggy sehnte sich danach, ihm etwas zuzurufen, ihn Vater zu nennen und ihm zu versichern, daß es doch seine Tochter sei, die nun hier lebte, daß all seine Mühe, aus diesem alten Haus ein Heim zu machen, tatsächlich ein Liebesdienst an ihr gewesen war. Wie es sie doch tröstete, zu wissen, wie sehr er sie liebte! So sehr, daß er sie nach all diesen Jahren noch nicht vergessen hatte; aber es brach ihr fast das Herz, daß sie sich ihm nicht offenbaren durfte. Noch nicht, nicht, wenn sie alles erreichen wollte, was sie erreichen mußte. Sie würde mit ihm tun müssen, was sie bereits mit Alvin und mit Mutter versuchte – nicht alte Liebe und alte Verpflichtungen in Anspruch nehmen, sondern neue Liebe und Freundschaft gewinnen.
Sie durfte nicht als Tochter nach Hause zurückkehren, nicht einmal Vater gegenüber, der sich als einziger darüber nur freuen würde. Sie mußte als Fremde zurückkehren. Das war sie ja auch wirklich, auch ohne Verkleidung, denn nach drei Jahren des Lernens in Dekane und drei weiteren des Unterrichts und des Studiums war sie nicht mehr Klein-Peggy, die stille, spitzzüngige Fackel; sie war schon lange zu jemand anderem geworden. Unter Mistress Modesty hatte sie viele Artigkeiten gelernt; von Büchern und Lehrern hatte sie vieles dazugelernt. Sie war nicht mehr die, die sie gewesen war. Es wäre ebenso eine Lüge gewesen, zu sagen: Vater, ich bin deine Tochter Kleinpeggy, wie das, was sie jetzt tatsächlich sagte: »Mr. Guester, ich bin Eure neue Mieterin, Miss Larner. Ich freue mich sehr, Euch kennenzulernen.«
Er kam auf sie zugeschnauft und streckte die Hand aus. Trotz seiner Vorbehalte, trotz der Art und Weise, wie er versucht hatte, sie zu meiden, als sie vor etwa einer Stunde im Bachhaus eingetroffen war, war er doch zu sehr der vollendete Gastwirt, als daß er sich weigerte, sie in aller Höflichkeit zu begrüßen – oder zumindest mit jenen groben ländlichen Manieren, die in dieser Stadt am Frontier als höflich galten.
»Freut mich, Euch kennenzulernen, Miss Larner. Ich hoffe, Eure Unterkunft behagt Euch?«
Es machte sie ein wenig traurig, mitanhören zu müssen, wie er es bei ihr mit hochgestochener Sprache versuchte, so, wie er mit jenen Gästen zu sprechen pflegte, die er als › Würdenträger einschätzte. Das nämlich bedeutete, daß er glaubte, sie stünde über ihm. Ich habe vieles gelernt, Vater, vor allem aber dies: Niemand steht über einem anderen, solange der andere ein gutes Herz hat.
Ob Vaters Herz gut war, weigerte Peggy sich nachzuschauen, sie glaubte es einfach. In früheren Jahren hatte sie sein Herzensfeuer nur zu gut gekannt. Wenn sie jetzt zu genau hinsah, mochte sie dort Dinge entdecken, die zu sehen keine Tochter ein Recht hat. Vor vielen Jahren war sie noch zu jung gewesen, um sich selbst zu beherrschen, als sie sein Herzensfeuer erforschte; in der Unschuld ihrer Kindheit hatte sie Dinge erfahren, die sowohl Unschuld als auch Kindheit unmöglich gemacht hatten. Jetzt aber, da sie ihre Fähigkeit besser unter Kontrolle hatte, konnte sie ihm endlich die Intimität seines eigenen Herzens lassen. Das war sie
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