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Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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ihm und Mutter schuldig.
    Ganz zu schweigen davon, daß sie es sich auch selbst schuldig war, nicht genau zu wissen, wie sie über alles dachten und wie sie fühlten.
    Sie stellten die Wanne in dem kleinen Haus auf. Mutter hatte noch einen weiteren Eimer und einen Kessel mitgebracht, und nun machten Vater und Alvin sich daran, noch mehr Wasser vom Brunnen zu holen, während Mutter auf dem Ofen Wasser zu kochen begann. Als das Bad fertig war, schickte sie die Männer fort. Dann schickte Peggy auch Mutter fort, wenngleich nicht ohne deren heftige Proteste: »Ich bin Euch dankbar für Eure Fürsorglichkeit«, sagte Peggy, »aber es gehört zu meinen Gepflogenheiten, völlig allein zu baden. Ihr wart außerordentlich gütig, und wenn ich jetzt allein bade, könnt Ihr versichert sein, daß ich Eurer jeden Augenblick in Dankbarkeit gedenken werde.«
    Dieser Schwall hochgestochener Sprache war selbst für Mutter zuviel. Endlich wurde die Tür verschlossen und verriegelt, waren die Vorhänge zugezogen. Peggy zog ihr Reisekleid aus, das schwer von Staub und Schweiß war; dann streifte sie ihr Hemd und die lange, mit Rüschen besetzte Frauenhose ab, die heiß an ihrer Haut klebte. Es war einer der Vorteile ihrer Tarnung, daß sie sich nicht mit Korsetts abgeben mußte. Niemand erwartete von einer Jungfer ihres vorgeblichen Alters, daß sie die pervers schlanke Taille jener armen jungen Opfer der Mode besaß, die sich so fest zuschnürten, bis sie nicht mehr atmen konnten.
    Als letztes entfernte sie die Amulette, die drei, die sie am Hals trug, und das eine, das sie ins Haar geflochten hatte. Diese Amulette waren teuer erkauft worden, und das lag nicht nur daran, daß sie zu der neuen, kostspieligen Sorte gehörten, die das beeinflußten, was andere tatsächlich sahen, und nicht nur ihre Meinung darüber. Es hatte sie vier Besuche gekostet, bevor der Hexer glaubte, daß sie wirklich häßlich erscheinen wollte. »Ein Mädchen, das so schön ist wie Ihr, bedarf meiner Kunst nicht«, hatte er immer und immer wieder gesagt, bis sie ihn schließlich an den Schultern gepackt und durchgeschüttelt und gesagt hatte: »Genau deshalb brauche ich Eure Hilfe! Damit ich aufhöre, schön zu sein!« Schließlich hatte er eingewilligt, hatte aber unentwegt vor sich hingebrummt, daß es eine Sünde sei, zu verdecken, was Gott so schön erschaffen hatte.
    Gott oder Mistress Modesty, dachte Peggy. In Mistress Modestys Haus war ich schön. Ich bin jetzt auch noch schön, wenn mich niemand zu sehen bekommt außer mir selbst, außer mir, die ich mich am allerwenigsten bewundern werde?
    Endlich nackt, endlich sie selbst, kniete sie neben der Wanne nieder und tauchte den Kopf ein, um sich die Haare zu waschen. So heiß das Wasser war, als sie eintauchte, spürte sie wieder dieselbe alte Freiheit, die sie schon vor so langer Zeit im Bachhaus gefühlt hatte, die feuchte Isoliertheit, in die keine Herzensfeuer eindrangen, so daß sie wahrhaft sie selbst allein war und eine Chance hatte, zu erkennen, was ihr Selbst tatsächlich sein mochte.
    Es gab keinen Spiegel im Bachhaus. Sie hatte auch keinen mitgebracht. Trotzdem wußte sie, wann sie mit dem Baden fertig war, und rieb sich vor dem Ofen mit dem Handtuch ab, schwitzte bereits in dem dampfenden Zimmer, an diesem frühen Augustabend – sie wußte, daß sie schön war, wie Mistress Modesty es sie gelehrt hatte; sie wußte, daß Alvin, könnte er sie sehen, wie sie wirklich war, sie begehren würde, nicht um ihrer Weisheit willen, sondern aus jener beiläufigeren und oberflächlicheren Liebe heraus, die jeder Mann einer Frau gegenüber empfindet, die ihm eine Augenweide ist. Und so, wie sie sich einst vor ihm versteckt hatte, damit er sie nicht aus Mitleid heiratete, versteckte sie sich nun vor ihm, damit er es nicht aus jungenhafter Liebe tat. Dieses Selbst, der geschmeidige und jugendliche Körper, würde ihm unsichtbar bleiben, damit ihr wahreres Selbst, der scharfe und geschulte Verstand, den größten Mann in ihm betören mochte, jenen Mann, der kein Liebhaber, sondern ein Macher werden würde.
    Wenn sie doch nur irgendwie seinen Körper vor ihren eigenen Augen verbergen könnte, damit sie sich nicht vorstellen mußte, wie er sie berührte – so sanft wie die Berührung der Luft auf ihrer Haut, als sie durch das Zimmer schritt.

16. Eigentum
    Die Schwarzen begannen zu heulen und zu brüllen, noch bevor die Hähne aufgestanden waren. Cavil Planter erhob sich nicht sofort. Der Lärm paßte irgendwie

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