Der magische Pflug
Heirat einen Namen, und ein Mann erst, nachdem er sein erstes Tier getötet hat.«
»Das ist ja schrecklich«, meinte Mama. »Ja, nicht einmal christlich. Ach, sie ist sogar ungetauft gestorben.«
»Nein«, widersprach Peggy. »Sie war sehr wohl getauft. Dafür hat die Frau ihres Besitzers gesorgt – alle Schwarzen auf ihrer Plantage wurden getauft.«
Mama setzte eine säuerliche Meine auf. »Ich schätze, dann hat sie sich wohl für eine Christin gehalten. Nun, ich habe einen Namen für dich, kleiner Junge.« Sie grinste Peggy bösartig an. »Was meinst du, was dein Papa tun würde, wenn ich dieses Baby Horace Guester Junior nennen würde?«
»Sterben«, meinte sie nur.
»Da hast du wohl recht«, pflichtete Mama ihr bei. »Aber ich bin noch nicht bereit, Witwe zu werden. Also werden wir ihn anders nennen … ach, ich kann überhaupt nicht klar denken, Peggy. Was wäre denn ein Schwarzenname? Oder soll ich ihn einfach so nennen, wie jedes andere weiße Kind?«
»Der einzige Schwarzenname, den ich kenne, ist Othello«, meinte Peggy.
»Das ist aber ein seltsamer Name«, erwiderte Mama. »Den hast du wohl aus einem der Bücher von Whitley Phy-sicker.«
Peggy erwiderte nichts.
»Ich hab's«, sagte Mama. »Jetzt weiß ich einen Namen für ihn. Cromwell. Der Name des Lordprotektors.«
»Vielleicht solltest du ihn lieber Arthur nennen, nach dem König«, warf Peggy ein.
Da konnte Mama nur noch kichern und gackern. »Das ist dein Name, kleiner Junge. Arthur Stuart! Und wenn der König einen derartigen Namensvetter nicht mag, soll er uns doch eine Armee schicken. Ich werde ihn trotzdem nicht ändern. Eher wird Seine Majestät Ihren eigenen Namen ändern müssen.«
Obwohl sie erst so spät ins Bett gekommen war, erwachte Peggy sehr früh. Das Hufgetrappel weckte sie – sie brauchte nicht erst ans Fenster zu gehen, um das Herzenseuer des Geistlichen zu erkennen, als dieser davonritt. Reitet nur weiter, Thrower, sagte sie stumm. Ihr seid nicht der letzte, der heute vor diesem elfjährigen Jungen fliehen wird.
Sie blickte aus dem Nordfenster und konnte zwischen den Bäumen hindurch bis zum Friedhof auf dem Hügel schauen. Sie versuchte das Grab zu erkennen, das dort letzte Nacht ausgehoben worden war, doch es gab keine Spuren, die ihr körperliches Auge hätte wahrnehmen können, und auf einem Friedhof gab es auch keine Herzensfeuer, nichts, was ihr hätte helfen können. Alvin würde das Grab allerdings sehen, das wußte sie genau. Denn er würde als erstes den Friedhof aufsuchen, weil dort sein ältester Bruder lag, der junge Vigor, der vom Hatrack River fortgerissen wurde, als er das Leben von Alvins Mutter in der letzten Stunde vor der Geburt rettete, damit sie ihren siebenten Sohn gebären konnte. Vigor hatte sich, so kräftig die Strömung auch an ihm gezerrt hatte, lange genug ans Leben geklammert, um sicherzustellen, daß Alvin als siebenter Sohn von sieben lebenden Söhnen zur Welt kam. Peggy hatte selbst mitangesehen, wie Vigors Herzensfeuer aufflackerte und sofort erlosch, nachdem das Kind geboren war. Diese Geschichte hatte Alvin wahrcheinlich schon tausendmal zu hören bekommen. Also würde er den Friedhof aufsuchen, und er konnte sich in die Erde hineinfühlen und feststellen, was dort verborgen lag.
Er würde das namenlose Grab entdecken, diesen ausgeergelten Leichnam, der vor so kurzer Zeit beerdigt worden war.
Peggy nahm den Kasten mit dem Mutterkuchen, verstaute ihn tief in einem Kleiderbeutel, zusammen mit ihrem zweiten Kleid, einem Unterrock und den neuesten Büchern, die Whitley Physicker mitgebracht hatte. Nur weil sie Alvin nicht von Angesicht zu Angesicht gegenbertreten wollte, bedeutete das noch nicht, daß sie diesen Jungen vergessen konnte. Heute abend würde sie den Mutterkuchen wieder berühren. Vielleicht aber auch erst morgen früh. Dann würde sie gemeinsam mit Alvin in Erinnerung versunken dastehen und mit Hilfe seiner Sinnesorgane das Grab des namenlosen schwarzen Mädchens aufspüren.
Als ihr Beutel gepackt war, begab sie sich nach unten. Mama hatte die Wiege in die Küche geschleppt und sang dem Baby gerade etwas vor, während sie Brotteig knetete, die Wiege mit einem Fuß schaukelnd, obwohl Arthur Stuart fest schlief. Peggy stellte ihren Beutel draußen vor der Küchentür ab, trat ein und berührte Mama an der Schulter. Sie hoffte ein wenig, daß ihre Mama schrecklich trauern würde, wenn sie erst entdeckte, daß Peggy verschwunden war. Aber das tat sie gewiß nicht. Sicher,
Weitere Kostenlose Bücher