Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
hoch wie jener, den dieses Sklavenmädchen für die Freiheit gezahlt hat.
    Wenn Alvin morgen kommt, werde ich nicht da sein.
    Das war ihre Entscheidung, so schlicht und so einfach. Sie konnte kaum glauben, daß sie vorher nicht darauf gekommen war. Wer, wenn nicht sie, hätte denn wissen müssen, daß es immer eine andere Möglichkeit gab? Die Leute redeten und redeten davon, wie sie zu Leiden und Schmerz gezwungen worden waren, daß sie keinerlei Wahlmöglichkeiten gehabt hatten – doch dieses entflohene Mädchen bewies, daß es immer einen Ausweg gab, solange man sich daran erinnerte, daß selbst der Tod zuweilen ein gerader, unbeschwerlicher Weg sein konnte.
    Und ich brauche mir nicht einmal Amselfedern zu beschaffen, um zu fliegen.
    Peggy saß da und hielt das Baby, während sie kühne und furchterregende Pläne schmiedete, wie sie am Morgen aufbrechen würde, bevor Alvin eintraf. Immer, wenn sie sich davor fürchtete, was sie sich vorgenommen hatte, richtete sie ihren Blick auf das Mädchen, und das war ihr ein wirklicher Trost. Eines Tages mag ich vielleicht wie du enden – ein entlaufenes Mädchen, tot im Hause irgendeines Fremden. Aber besser diese unbekannte Zukunft, als eine, von der ich die ganze Zeit gewußt habe, daß ich sie hassen werde und gegen die ich dennoch nichts unternommen habe.
    Werde ich es tun? Werde ich es wirklich am Morgen tun, wenn die Zeit gekommen und keine Umkehr mehr möglich ist? Sie berührte Alvins Mutterkuchen mit der freien Hand, indem sie einfach mit dem Finger in den Kasten glitt, und was sie in Alvins Zukunft schaute, ließ sie innerlich jubeln. Bisher hatten die meisten Wege gezeigt, wie sie sich trafen und wie ihr Leben des Leids begann. Jetzt waren nur noch wenige dieser Wege zu schauen – in den allermeisten sah sie ihn, wie er nach Hatrack River kam und nach dem Fackelmädchen suchte, das aber verschwunden war. Dadurch, daß sie heute nacht ihre Meinung geändert hatte, hatten sich zugleich die meisten Wege verschlossen, die ins Unglück führten.
    Mama kam bereits mit den Berrys zurück, noch bevor Papa vom Grabschaufeln wiedergekehrt war. Anga Berry war eine stämmige Frau, deren Lachfalten die Sorgenfalten an Anzahl um einiges übertrafen, wenngleich beide deutlich genug zu erkennen waren. Peggy kannte Anga gut und mochte sie mehr als die meisten Leute in Hatrack River. Sie war durchaus launisch, besaß aber auch Mitgefühl, und Peggy war daher nicht überrascht, als sie auf den Leichnam des Mädchens zustürzte und die kalte, schlaffe Hand gegen ihren Busen drückte. Sie murmelte Worte, die fast wie ein Wiegenlied klangen, und ihre Stimme war so leise und lieblich und gütig.
    »Sie ist tot«, sagte Mock Berry. »Aber das Baby ist noch bei Kräften, wie ich sehe.«
    Peggy stand auf und ließ Mock das Baby in ihren Armen begutachten. Sie mochte ihn nicht halb so gern wie seine Frau. Er war einer von jener Sorte Männern, die Kinder so hart schlagen konnten, bis Blut strömte, nur weil sie nicht mochten, was er sagte oder tat. Daß er dabei nicht in Wut geriet, machte diese Eigenschaft noch schlimmer. Als würde er überhaupt nichts empfinden, als würde es keinen großen Unterschied für ihn machen, jemandem Schmerz zuzufügen oder nicht. Aber er arbeitete hart, und wenn er auch arm war, kam seine Familie durch; und niemand, der Mock kannte, schenkte jenen groben Leuten Beachtung, die behaupteten, daß es keinen einzigen Schwarzen gebe, dem man über den Weg trauen könnte.
    »Gesund«, verkündete Mock. Dann wandte er sich an Mama. »Und wenn der Junge mal groß und stark geworden ist, Ma'am, wollt Ihr ihn dann immer noch Euren Jungen nennen? Oder laßt Ihr ihn dann draußen in der Scheune bei den Tieren schlafen?«
    Na, der strich wirklich nicht lange um den heißen Brei herum, bemerkte Peggy.
    »Halt den Mund, Mock«, sagte seine Frau. »Und Ihr gebt mir dieses Baby, Miss. Ich wünschte mir nur, ich hätte gewußt, daß es kommen würde. Dann hätte ich mein Jüngstes weiter gestillt, damit die Milch nicht versiegt. Habe den Jungen vor zwei Monaten abgestillt, und seitdem macht er nichts als Ärger. Aber du bist mir kein Ärger, Baby, du bist überhaupt kein Ärger.« Sie säuselte sanft auf das Baby ein, genau wie sie es mit seiner toten Mutter getan hatte, und auch der Junge wachte davon nicht auf.
    »Ich habe es euch gesagt. Ich werde ihn als meinen eigenen Sohn aufziehen«,-sagte Mama.
    »Tut mir leid, Ma'am, aber ich habe noch nie von einer weißen Frau

Weitere Kostenlose Bücher