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Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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wahr?«
    »Zerbrich doch mal einen Teller auf diesem Kopf.« Arthur knirschte vor Lachen und stürzte rücklings ins Gras. Alvin lachte mit, aber er konnte den Blick nicht mehr von dem kleinen Jungen abwenden. Hinter dem steckt mehr, als es den Anschein hat, dachte er. Oder er ist einfach nur verrückt.
    Aus der anderen Richtung ertönte eine Frauenstimme, ein kehliger Ruf, der durch die feuchte, dunkel werdende Luft trieb. »Arthur! Arthur Stuart!«
    Arthur setzte sich sofort auf. »Mama«, sagte er.
    »Das stimmt, das ist die alte Peg Guester, die dich ruft«, sagte Alvin.
    »Muß ins Bett«, bemerkte Arthur.
    »Paß nur auf, daß sie dich nicht vorher noch badet, Junge. Du bist ein bißchen schmutzig.«
    Arthur stand auf und trabte über die Weide, dem Pfad entgegen, der vom Bachhaus zu dem Gasthof führte, in dem er wohnte. Alvin sah ihm nach, bis er verschwunden war, sah, wie der kleine Junge beim Laufen mit den Armen wedelte, als wollte er fliegen. Irgendein Vogel, wahrscheinlich eine Eule, begleitete den Jungen über die halbe Weide, flog dicht über den Boden dahin, als wollte sie ihm Gesellschaft leisten. Erst nachdem Arthur hinter dem Bachhaus verschwunden war, machte Alvin sich wieder an die Arbeit.
    Wenige Minuten später war es völlig dunkel, und danach setzte die tiefe Stille der Nacht ein. Sogar die Hunde in der Stadt waren ruhig. Es würde noch Stunden dauern, bevor der Mond aufging. Alvin arbeitete weiter. Er brauchte nichts sehen zu können; er spürte genau, wie der Brunnen vorankam, spürte die Erde unter seinen Füßen. Das war aber nicht das Sehen des roten Mannes, die Begabung der Roten, den Grünwaldgesang zu hören. Es war seine eigene Gabe, die er da einsetzte, mit deren Hilfe er sich immer tiefer in die Erde vorfühlte.
    Er wußte, daß er diesmal auf doppelt so dickes Gestein stoßen würde. Doch als der Spaten auf die ersten Steinbrocken traf, war es keine glatte Steinplatte wie an jener Stelle, die Hank Dowser ausgesucht hatte. Das Gestein war bröckelig und morsch, und mit seiner Gabe brauchte Alvin kaum Druck mit dem Spaten zu geben, damit die Steine sich so leicht und mühelos hoben, wie man es sich nur wünschen konnte, und so schleuderte er sie wie Erdklumpen aus dem Brunnen.
    Nachdem er diese Schicht durchstoßen hatte, wurde der Boden allerdings schlammig. Wäre Alvin nicht der gewesen, der er war, so hätte er jetzt die Arbeit ruhen lassen und sich Hilfe geholt, um den Brunnen am Morgen auszuheben. Doch für Alvin war es ganz leicht. Er ließ die Erde an der Brunnenwand fest werden, damit das Wasser nicht so schnell hereinsickern konnte. Jetzt war keine Spatenarbeit mehr nötig. Alvin benutzte einen Baggereimer, um das schlammige Erdreich herauszuheben, und er brauchte keinen Partner, der den Eimer an einem Seil in die Höhe zog. Er führte ihn nur ruckartig nach oben, und seine Gabe sorgte dafür, daß jeder Schlammklumpen zusammenhielt und so säuberlich draußen neben dem Brunnen zu Boden fiel, als würde er Hasen aus ihrem Bau werfen.
    Alvin war hier Meister, das war sicher. In diesem Erdloch vollbrachte er Wunder. Ihr habt mir gesagt, daß ich nichts essen oder trinken darf, bevor der Brunnen fertig ist; Ihr habt wohl geglaubt, ich würde um einen Becher Wasser betteln und Euch anflehen, mich ins Bett zu lassen. Nun, so etwas werdet Ihr nicht erleben. Ihr werdet Euren Brunnen haben, mit so festen Wänden, daß man hier noch Wasser schöpfen wird, lange nachdem Euer Haus und die Schmiede zu Staub zerfallen sind.
    Doch selbst als er den süßen Sieg schmeckte, sah er, daß der Entmacher näher gekommen war, als er es seit vielen Jahren erlebt hatte. Das Wasser flackerte und tanzte, und zwar nicht nur am Rande seines Gesichtsfelds. Er sah es deutlich vor sich, selbst in der Dunkelheit. Er konnte es klarer erkennen, als es bei Tageslicht möglich gewesen wäre, weil er jetzt nichts Wirkliches sehen konnte, das ihn hätte ablenken können.
    Es war angsterregend, grauenhaft, genau wie die Nachtmahre seiner Kindheit, und eine Weile stand Alvin in der Grube, festgefroren vor Angst, während das Wasser von unten emporsickerte und den Boden unter ihm in Schleim verwandelte. Dicker Schleim, hundert Fuß tief. Der Schleim sank hinab, und die Wand des Brunnens wurde ebenfalls weich, würde gleich nachgeben und Alvin unter sich begraben. Er würde bei dem Versuch ertrinken, Schlamm einzuatmen, das wußte er; er spürte es kalt und feucht um seine Schenkel, an seinem Unterleib; er ballte

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