Der magische Pflug
Rande des Brunnens und stellte sich vor, wie Makepeace Smith krakeelen und fluchen würde. Dann setzte er sich, um seine Füße ein wenig auszuruhen, und stellte sich dabei Hand Dowsers Gesicht vor, wenn er sah, was Alvin getan hatte. Schließlich legte er sich nieder, um seinen schmerzenden Rücken zu entlasten, und schloß nur für eine Minute die Augen, damit er nicht all die flatternden Schatten des Entmachers sehen mußte, die ihn aus seinen Augenwinkeln unentwegt belästigten.
8. Entmacher
Mistress Modesty ruhte sich. Peggy hörte, wie ihr Atemrhythmus sich veränderte. Dann erwachte sie und setzte sich abrupt auf ihrem Sofa auf. Sofort suchte sie in der Dunkelheit des Zimmers nach Peggy.
»Hier bin ich«, murmelte Peggy.
»Was ist denn geschehen, meine Liebe? Habt Ihr denn überhaupt nicht geschlafen?«
»Ich wage es nicht«, erwiderte Peggy.
Mistress Modesty trat auf den Portikus hinaus und stellte sich neben sie. Die Südwestbrise blähte hinter ihnen die Damastvorhänge. Der Mond flirtete mit einer Wolke; die Stadt Dekane unten am Fuße des Hügels war ein sich verschiebendes Muster aus Dächern. »Könnt Ihr ihn sehen?« fragte Mistress Modesty.
»Nicht ihn«, erklärte Peggy. »Ich sehe sein Herzensfeuer; ich kann durch seine Augen sehen wie er; ich kann seine Zukünfte schauen. Aber ihn selbst, nein, ihn kann ich nicht sehen.«
»Mein armes, liebes Geschöpf. In einer so wunderbaren Nacht den Gouverneursball verlassen zu müssen, um über dieses ferne Kind zu wachen, das in Gefahr schwebt.« Das war Mistress Modestys Art zu fragen, um welche Gefahr es sich dabei handelte, ohne die Frage direkt zu stellen. So konnte Peggy sie beantworten oder es bleiben lassen, und so oder so würde sich niemand beleidigt fühlen.
»Ich wünschte, ich könnte es erklären«, sagte Peggy. »Es ist sein Feind, der ohne Gesicht …«
Mistress Modesty erschauerte. »Ohne Gesicht! Wie entsetzlich.«
»Oh, für andere Menschen hat er durchaus ein Gesicht. Es gab da einmal einen Geistlichen, einen Mann, der sich für einen Wissenschaftler hielt. Der hat den Entmacher geschaut, aber er konnte ihn nicht wirklich durchschauen, nicht so wie Alvin. Statt dessen hat er im Geiste eine Menschengestalt für ihn erschaffen und ihm einen Namen gegeben. Er nannte ihn den ›Besucher‹ und glaubte, daß er ein Engel sei.«
»Ein Engel!«
»Ich glaube, daß die meisten von uns, wenn sie den Entmacher sehen, ihn nicht verstehen können. Dafür reicht die Kraft unseres Intellekts nicht aus. Deshalb schalten wir den Verstand ab, so gut es eben geht. Dann sehen wir jene Gestalt, die für uns am deutlichsten die nackte, zerstörerische Macht, eine schreckliche und unwiderstehliche Kraft darstellt. Jene, die eine solch böse Macht lieben, betrachten den Entmacher unwillentlich als schön. Andere, die sie hassen und fürchten, sehen ihn als das Schlimmste auf der Welt.«
»Wie sieht Euer Alvin ihn denn?«
»Ich selbst konnte den Entmacher nie betrachten. Das Wesen ist so flüchtig. Selbst als ich durch Alvins Augen schaute, hätte ich es gar nicht bemerkt, wenn er es nicht getan hätte. Ich sah, daß er etwas sah, und erst dann begriff ich, was es war. Stellt es Euch vor wie … wie das Gefühl, wenn Ihr glaubt, im Augenwinkel eine Bewegung bemerkt zu haben, nur daß da nichts ist, wenn Ihr den Blick dorthin wendet.«
»So als ob sich immer jemand von hinten anschleichen würde«, meinte Mistress Modesty.
»Ja, genau so.«
»Und es schleicht sich an Alvin heran?«
»Der arme Junge, er begreift nicht, daß er es selbst herbeiruft. Er hat eine tiefe, schwarze Grube in seinem Herzen gegraben, genau die Art von Ort, wo der Entmacher gedeiht.«
Mistress Modesty seufzte. »Ach, mein Kind, all diese Dinge übersteigen mein Fassungsvermögen. Ich hatte nie eine Gabe; ich kann die Dinge kaum verstehen, die Ihr tut.«
»Ihr? Keine Gabe?« Peggy war erstaunt.
»Ich weiß – es gibt kaum einen Menschen, der zugibt, keine besonderen Fähigkeiten zu haben. Aber ich bin bestimmt nicht der einzige.«
»Ihr habt mich mißverstanden, Mistress Modesty«, sagte Peggy. »Ich war nicht erstaunt darüber, daß Ihr gesagt habt, keine Gabe zu haben, sondern, daß Ihr glaubt, keine zu haben. Natürlich habt Ihr eine.«
»Oh, aber es macht mir gar nichts aus, keine zu haben, meine Liebe …«
»Ihr habt die Gabe, potentielle Schönheit zu sehen, als wäre sie bereits vorhanden, und durch das Sehen laßt Ihr sie Wirklichkeit werden.«
»Was für
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