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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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ZeichenFeuer undMensch nebeneinander. Er entschied sich für »Mensch«, ohne damit eine Reaktion vonseiten der Wachen auszulösen. Gar nicht so schlecht für den Anfang . . .
    So arbeitete er sich voran, immer darauf bedacht, zwischenundab zuwechseln. Manchmal war er gezwungen, ein oder auch zwei Plattenpaare zu überspringen, aber er schaffte es immer, mindestens einen der sicheren Steine zu erreichen. Nicht viel komplizierter als »Himmel und Hölle« zu spielen!
    Als er wohlbehalten das Vordach erreicht hatte, stieß er die schweren Bronzeflügel der Tür auf und trat in den Innenhof des Palastes, über dem ein unangenehmer Geruch hing.
    »Nicht schon wieder!«
    Er stand Auge in Auge mit drei Armbrustschützen, ihre Waffen schussbereit auf ihn gerichtet. Sie hatten ungefähr seine Größe und einen ungemein lebensechten Gesichtsausdruck: Finster blickten sie ihm entgegen, mit gefurchter Stirn, pechschwarzen Schnurrbärten, lederner Haut und zu einem Knoten auf dem Hinterkopf geschlungenen Haaren. Sie hielten ihre Waffen gegen ihre metallischen Brustharnische gedrückt, die Sehne der Armbrust bis zum Anschlag gespannt. In dem zuckenden Kerzenlicht war die Täuschung nahezu perfekt!
    Vor ihnen teilte sich die Allee in drei Abzweigungen, jede von ihnen eine regelmäßige Abfolge von Platten, auf denen sich immer ein und derselbe Buchstabe wiederholte, diesmal nur etwas komplexer:¥nach links,in der Mitte und  nach rechts. Eine Variante der vorherigen Aufgabe, die es erforderte, die richtige Wahl zu treffen, um nicht auf der Stelle von einem Pfeil durchbohrt zu werden.
    Samuel ließ sich von den Bildern der Schriftzeichen leiten, dessen Bedeutung ihm eindeutig erschien. In der Mitte das Nebeneinander von, die Zeichen für Feuer und Berg, standen natürlich für den Vulkan. Rechts ergab sich aus der Vereinigung vonundder Mensch und der Berg, die beiden Zeichen, die ihm bis hierher Glück gebracht hatten. Zudem hatte ihre Kombination im Chinesischen traditionellerweise – jedenfalls verstand er es instinktiv so – eine besondere Bedeutung: der Mensch, der zurückgezogen auf dem Berg lebte, verwies auf die heilige Gestalt der Unsterblichkeit. Unsterblich . . . das hatte Kaiser Qin werden wollen!
    Ohne länger zu zögern, entschied Sam sich für den Weg des Unsterblichen. Die erste Platte, die zweite, die dritte . … Nicht eine erzitterte unter seinen Schritten und die drei Armbrustschützen standen da wie aus Marmor gehauen. Er umrundete die Statuen in einer Entfernung von etwa zehn Metern, dann erstarrte er plötzlich und hielt sich die Nase zu. Jetzt wusste er, woher der widerliche Geruch kam: Direkt vor ihm auf dem Boden lag ein abgezehrter, fast schon skelettierter Kadaver, einen Pfeil im Rücken. Ein Grabräuber oder ein verirrter Tourist, der nicht das Glück gehabt hatte, Qins Wachen zu entkommen? Und der an dieser Stelle zusammengebrochen war, nur wenige Meter vor dem Palast, die Hand noch ausgestreckt nach einer Tür, die er nie erreichen würde?
    Sam wollte gerade an dem Unglücklichen vorbeigehen, als ihm der Ring auffiel, der die langen vertrockneten Finger schmückte. Gegen seine aufsteigende Übelkeit ankämpfend, beugte Sam sich darüber: Es war ein silberner Siegelring mit einem eingravierten Burgturm. Dieses Schmuckstück war ihm schon einmal woanders begegnet! Genauer gesagt in Brügge, im 15. Jahrhundert, wo dieser Siegelring die Macht des Vogts, des höchsten Polizeichefs, symbolisierte. Sein Eigentümer hatte ihn an jenem Tag getragen, als er Sam beim Herumschnüffeln in seinem geheimen Kabinett ertappt hatte. Denn dieser Siegelring gehörte niemand Geringerem als Klugg, dem Alchemisten von Brügge! Er war der leblose Körper zu seinen Füßen! Klugg, der es bis zum Grab von Qin geschafft hatte, ohne zu ahnen, dass es auch sein eigenes werden sollte!
    Den Schreck musste Samuel erst einmal verdauen: Natürlich hatte er den Alchemisten nicht besonders geschätzt, aber zu wissen, dass er hier den Tod gefunden hatte, grausam verletzt, weit von den Seinen und seiner Zeit . . . War es das, was einen auf diesen »Reisen« erwartete? Unermüdliches Forschen und Suchen, das in den sicheren Tod führte? Und was wollte man letztendlich dort finden?
    Sam stand auf und murmelte halblaut ein paar Worte zum Gedenken an seinen alten Feind. Mehr gab es nicht zu tun, außer seine eigene Lehre daraus zu ziehen und doppelt wachsam zu sein . . . Vorsichtig legte er die letzten Meter zurück, die ihn noch vom Eingang

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