Der magische Reif
Kurz, ich habe diesem Land die Fähigkeit verliehen, den Zeiten zu trotzen.«
Er nickte ein wenig selbstgefällig.
»Eine Frage dazu, existiert China in deiner Zeit noch?«
»Ah! Ja, natürlich«, bestätigte Sam.
»Und ist es nicht der Erste unter allen Staaten?«
»Nun ja . . .«
Jetzt nur nicht das Falsche sagen . . .
»In einigen Bereichen trifft das durchaus zu . . .«
»Immerhin! Und das alles ist mir zu verdanken! Ist dir Klar, welche unerhörte Gunst ich dir gewähre, indem ich dich empfange?« »Unerhört, das ist das richtige Wort«, stimmte Sam zu.
»Gut, gut«, freute sich Qin, »dein Geist beginnt, sich zu öffnen . . . Doch man kann eine solche Aufgabe nicht bewältigen, ohne den Menschen und dem Schicksal ein wenig nachzuhelfen, musst du wissen. Man hat mich nicht immer verstanden«, fügte er hinzu und legte seine immer stärker zitternden Hände übereinander. »Ich habe gegen zahlreiche Vorbehalte und Widerstände ankämpfen müssen, einige haben sich gegen mich aufgelehnt und ich sah mich genötigt, sie zu bestrafen.«
Wie viele Kriege und wie viele Opfer es gekostet hat, übersetzte Sam im Stillen, dem die Überwindung der Zeitgrenzen einen neuen Blick auf das Weltgeschehen eröffnet hatte.
»Kurzum«, seufzte Qin, »je weiter sich meine Weltherrschaft ausdehnte, desto mehr wurde ich dazu getrieben, gewisse Fehler zu begehen. Schwere Fehler sogar.«
Ein kurzes Schweigen folgte und Sam hätte schwören können, dass ein feuchter Schimmer in den leichenblassen Blick des Kaisers trat.
»Es genügte mir nicht mehr, meine Herrschaft über die Völker auszudehnen, verstehst du, ich wollte, dass sie sich bis in die Ewigkeit erstreckte. Nicht mehr nur über meinesgleichen herrschen, sondern auch über ihre Kinder, über die Kinder ihrer Kinder, über alle nachfolgenden Generationen. Ich habe beschlossen, unsterblich zu werden . . .«
Für einen kurzen Moment wandte er den Blick ab, als habe dieses Geständnis ihn große Überwindung gekostet. Dann fuhr er in vertraulichem Tonfall fort:
»Kennst du das Penglai-Gebirge, junger Mann?« Samuel verneinte mit einem Kopfschütteln.
»Es befindet sich auf einer entlegenen Insel in den Meeren des Ostens. Dort, so behaupten die Ältesten, liegt die Quelle der Unsterblichkeit verborgen. Aber ach, sämtliche Expeditionen, die ich dorthin aussandte, sind am Ende entweder gescheitert oder kehrten nie zurück. Nur eine einzige hatte etwas mehr Glück und nahm einen Magier gefangen, der vorgab, den Namen Meister Lu zu tragen. Er behauptete, das Penglai-Gebirge erklommen und ihm seine Geheimnisse geraubt zu haben. Zum Beweis dafür lehrte er mich eine Form von Meditation, die man dort praktiziert und die es dem Eingeweihten erlaubt, einen Zustand der absoluten Erfüllung zu erlangen, die ihn über die Gegenwart erhebt. Dazu muss man nur tief in seinem Innersten dem Strom der Zeit ganz nah kommen und sein Herz dazu bringen, im Gleichklang zu schlagen . . . Wem dieses gelingt, der kann das Zerfallen der Sekunden und Minuten um sich herum aufhalten, bis er sich vom normalen Lauf seines Lebens löst. In diesem Zustand der Glückseligkeit hast du mich hier vorgefunden, eine Art Seelenschlummer, bei dem der Schlafende nur sehr langsam vom Alterungsprozess des Körpers berührt wird . . .«
Mit einem kurzen Blick stellte er fest, dass sein Wasserkelch tatsächlich leer war, zog einen enttäuschten Schmollmund und räusperte sich effektvoll, bevor er weitersprach:
»Leider ist es Meister Lu nach einigen Wochen gelungen, auch mein Misstrauen einzuschläfern. Er behauptete, dieser Zustand der Erfüllung, den zu erlangen er mich gelehrt hatte, sei nur der erste Schritt auf dem Weg zum ewigen Leben. Wenn ich jedoch seine Ratschläge gewissenhaft befolgte, würde ich schon sehr bald mein Ziel erreicht haben. Mehr noch, ich könnte vielleicht sogar die Kunst erlernen, zwischen den Zeiten zu reisen . . . Doch dafür, so versicherte er mir, müsste ich zunächst zu den heiligen Bergen pilgern, damit der Himmel meinen Geist reinige und ihn darauf vorbereite, diese Gabe zu erhalten. Und ach, geblendet von meinem Verlangen nach Macht, war ich so schwach, ihm Glauben zu schenken. Und bin aufgebrochen . . .
Als ich nach langen Monaten der Irrfahrt bis an die äußersten Grenzen des Imperiums in meine Hauptstadt zurückkehrte, hatte Meister Lu die Zeit genutzt, um seine Macht zu festigen und etliche Reichtümer anzuhäufen. Doch wieder zog ich es vor, verführt von meinem
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