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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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schier endlosen Korridor aus Ziegeln und Stein zu schleppen, der hoch über der Stadt verlief. So oft wie möglich spähte er dabei durch die Schießscharten, um einen Blick auf Diavilos Lager jenseits des Flusses zu erhaschen. Der Nebel verzog sich zwar langsam, dafür hatte aber ein dichter Regen eingesetzt, der wie ein flüssiger Vorhang vor der weißen Watteschicht niederrann.
    Im Inneren des passetto herrschte ein Gedränge wie zu den Hauptstoßzeiten in der U-Bahn und Sam wäre mehrere Male beinahe von Prälaten überrannt worden, die sich rücksichtslos ihren Weg bahnten und erwarteten, dass man innen Platz machte. Die Eisenbeschläge der Truhe bohrten sich in seine Schultern, sein Rücken krümmte sich unter der Last, doch immerhin beachtete ihn niemand, auch nicht Kluggs Abhandlung, die er fest um den Bauch geschnallt hatte.
    Wahrend er sich darauf konzentrierte, nicht zu stolpern, dachte Samuel wieder an die kleine Elfenbeinschachtel und an das Schmuckstück, das einmal dann gewesen sein musste. Konnte es sein, dass es sich um den Ring der Ewigkeit handelte? Das eingravierte Zeichen des Gottes Thot, der runde Abdruck, der Umstand, dass es mitten zwischen den Büchern der Zeit aufbewahrt worden war . . . Alle Anzeichen sprachen dafür. Doch wenn es tatsächlich der Fall sein sollte, warum hatte der Tätowierte dann nicht von Sam verlangt, dass er ihm zuallererst das Kästchen beschaffen sollte? Wusste er nicht, dass es sich dort im Geheimfach befand? Oder wusste er im Gegenteil bereits, dass es leer war? Rätselhaft. . .
    »Nach links!«, kommandierte Bocceron.
    Durch eine schwere, mit Nägeln beschlagene Tür kamen sie in die Festung und bogen zu einer engen Treppe ab, deren Stufen so hoch waren, dass sie größte Mühe hatten, die Truhe hinaufzuschaffen. Danach führte Bocceron sie in den Anbau der Bibliothek, den er mit einem seiner zahlreichen Schlüssel öffnete.
    »Setzt sie dort im Eingang ab, den Rest schaffe ich schon.«
    Der freundliche Schweizer stöhnte erleichtert und reckte und streckte sich. Sam massierte seine Oberarme und fühlte sich auf einmal unglaublich leicht. Dann beschloss er, sich schleunigst davonzumachen, bevor noch jemandem die Beule unter seinem Hemd auffiel. Doch Bocceron hatte andere Pläne mit ihm:
    »Wenn du mir hilfst, werde ich schneller damit fertig«, erklärte er. »Vor allem, weil du dich mit diesen Büchern letzt schon ein bisschen auskennst!«
    Samuel erfasste mit einem Blick den gewölbten Raum, vollgestopft mit Schränken, Truhen und diversen Schriftrollen, und damit auch das Ausmaß der ihm zugedachten Aufgabe, und suchte nach einem Vorwand, um sich davor zu drücken.
    »Also, ich . . .«, begann er und hielt sich den Bauch, »also ich müsste erst mal . . . also, ich müsste mich kurz zurückziehen.«
    Der Schweizergardist brach in schallendes Gelächter aus, den anderen schien die Bemerkung weniger zu gefallen. Samuel entschuldigte sich und versprach, sofort zurückzukommen.
    Sobald er den Bibliothekssaal verlassen hatte, hielt Sam als Erstes Ausschau nach einem ruhigen Ort, wo er sich ungestört mit Kluggs Abhandlung beschäftigen konnte. Von innen betrachtet trug das Schloss, vor allem angesichts der Dicke seiner Mauern, deutliche Züge einer militärischen Festungsanlage, gleichzeitig jedoch war es mit allen Annehmlichkeiten eines herrschaftlichen Palastes ausgestattet, mit prächtigen Sälen, herrlichen Fresken und kunstvoll geschnitzten Kassettendecken. Ein Kompromiss zwischen Palast und Festung ... Die Menschenmenge hatte sich bis in den letzten Winkel des Schlosses verteilt, Junge und Alte, Männer und Frauen, hockten teilweise zwischen eilig zusammengeschnürten Bündeln am Boden oder standen in Grüppchen zusammen und sprachen über die unseligen Zeiten, die über sie hereingebrochen waren. Einige andere waren erschöpft und mit leerem Blick in den wenigen Sesseln zusammengesunken.
    Nachdem er eine ganze Weile herumgeirrt war, entdeckte Samuel in einem der oberen Stockwerke eine Fensternische, die ausreichend Licht bot und relativ ruhig gelegen war. Er löste die Schnur unter seinem Hemd und setzte sich mit dem Rücken zu dem bleiverglasten Fenster: Er gab sich eine halbe Stunde, um sich mit der Abhandlung von den dreizehn Kräften der Magie vertraut zu machen. Danach würde er sich darum kümmern, wie man hier am besten herauskam und wie er dem berüchtigten Hauptmann Diavilo gegenübertreten sollte.
    Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren, vertiefte er

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