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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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Gelegenheit, sich den Papst, der nur fünf oder sechs Meter von ihm entfernt stand, genauer anzusehen. Er musste um die fünfzig Jahre alt sein, eine unnahbare Erscheinung mit scharf geschnittener Nase und hervorstehenden Wangenknochen, die schwarzen Haare unter einer roten Mütze. Er trug ein langes Gewand von strahlendem Weiß, darüber einen ebenfalls roten Mantel, der Schultern und Oberkörper bedeckte. Trotz seiner arroganten Stimme war er aschfahl im Gesicht und hatte dunkle Augenringe. Ein Machtmensch, der es gewohnt war, verehrt zu werden, und der spürte, wie sein Thron wackelte . . .
    Das Adlergesicht reichte ihm das kleine Elfenbeinkästchen aus dem Geheimfach der Bibliothek und Clemens VII. wog es in seiner Hand, bevor er es öffnete.
    »Es gibt ihn also doch«, murmelte er. »Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit, wie ich damit fertig werde!«
    Die Menge der Schaulustigen auf dem Vorplatz war auf einmal verstummt, als ahnte sie, wie erhaben dieser Augenblick war. Mit dem Daumennagel brach Clemens VII. das Siegel und öffnete den Deckel.
    »Leer! Es ist leer!«
    Mit einer wütenden Geste schleuderte er das Kästchen weit von sich und marschierte weiter auf das flache Gebäude zu.
    »Ich .. . ich weiß nicht, was ich sagen soll!«, entschuldigte sich das Adlergesicht und trat ein paar Schritte zurück. »Ich habe die Anweisungen Eurer Heiligkeit genauestens befolgt, es war mir unmöglich vorauszusehen, dass . . .«
    »Ich werfe Euch nichts vor!«, schnaubte Clemens VII. »Wie hättet Ihr denn auch wissen sollen, was der Inhalt war? Verschwindet, ich brauche Euch nicht mehr!«
    Die Männer des Papstes bauten sich vor dem in Ungnade Gefallenen auf und schoben ihn beiseite, während er unbeirrt dem Papst zurief:
    »Aber Hochheiliger Vater, da ist noch die Truhe mit den Büchern, von denen Euch der Bibliothekar berichtete . . . Wir brauchen Eure Autorisation, um sie so schnell wie möglich in der Festung in Sicherheit zu bringen . . .« Clemens VII. ließ sich nicht zu einer Antwort herab, aber einer der Kardinäle aus seinem Gefolge gab Bocceron durch ein Zeichen zu verstehen, dass er sich darum kümmern werde. Während die Menge auseinander trat, um den Papst durchzulassen, ging Samuel zu dem kleinen Jungen, der vorher die ganze Zeit mit seinem Stock gespielt hatte und sich jetzt ein paar Meter weiter auf das Kästchen stürzte.
    »Darf ich mal sehen?«, fragte Sam.
    Das Kind umklammerte fest seinen Fund und runzelte die Stirn.
    »Seine Heiligkeit hat es aber mir zugeworfen!«
    »Nur einmal ansehen . . . Ich gebe es dir sofort wieder, versprochen. Und wenn du willst, verrate ich dir dann ein Geheimnis.«
    »Ein echtes Geheimnis?«, fragte der Junge misstrauisch.
    »Ein Geheimnis, wie du noch nie eines erfahren hast«, versicherte Sam.
    Ohne diesen seltsam gekleideten jungen Mann aus den Augen zu lassen, öffnete das Kind langsam die Faust. Samuel drehte das Kästchen zwischen den Fingern und untersuchte es etwas genauer als vorher in der Bibliothek. Es musste sehr alt sein, denn das Elfenbein war schon recht vergilbt... Unter dem roten Siegel, das Clemens VII. zum Teil abgeschabt hatte, war eine Art Hieroglyphe in den Deckel graviert. Das Profil eines Mannes mit Ibiskopf in gebückter Haltung. Eine Darstellung des Gottes Thot? Möglicherweise ... Im Inneren sah man deutlich, dass es für einen Ring bestimmt gewesen war. Die runde Aussparung im Boden hatte einen Durchmesser von etwa eineinhalb Zentimetern. Ohne Zweifel: ein Ring . . . »Gibst du es mir jetzt wieder?«, drängte der Kleine.
    Samuel hatte das Gefühl, aus einem tiefen Traum gerissen zu werden. Er besann sich und dankte dem Jungen mit einem Augenzwinkern.
    »Hier, vielen Dank!«
    »Und das Geheimnis? Du hast mir ein Geheimnis versprochen!«
    »Das Geheimnis . . .« Sam überlegte kurz. »Also, dieses Elfenbeinkästchen, das du da in der Hand hältst . . . Du musst es immer bei dir behalten, es hüten wie einen Schatz. Darin war einmal der wunderbarste und unglaublichste aller Schätze dieses Palastes aufbewahrt.«
    Der kleine Junge machte große Augen.
    »Der wunderbarste aller Schätze? Wirklich?«
    »Wirklich«, versicherte Sam.

 
15.
    Die Abhandlung von den dreizehn Kräften der Magie
     
    Es kam nicht infrage, den Karren durch den überdachten Gang hinüber in die Festung zu ziehen. Da zwei der Schweizergardisten zurückgeschickt worden waren, um bei der Verteidigung des Haupttores zu helfen, musste Samuel helfen, die Truhe durch den

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