Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
Vom Netzwerk:
auf den Sand, bevor er nach Hathors Zeichen Ausschau hielt, das Rudolf hier irgendwo in die Mauer geritzt hatte.
    Er hatte keine zehn Schritte gemacht, als er weiter oben vom nächsten Abhang Pferde wiehern hörte, dort wo er Mamina zum ersten Mal getroffen hatte. Schnell warf er sich flach auf den Bauch ins Gestrüpp und reckte den Hals. Durch die leichten Nebelschleier erkannte er zwei schwer bewaffnete Soldaten mit Speeren und Federbusch am Helm, die ihre Pferde am Zügel führten. Sie plauderten und lachten in einer kehlig klingenden fremden Sprache, sichtlich zufrieden über den Ausgang des Kampfes. In der Nähe der Bootsstege ließen sie ihre Pferde trinken. Dabei zeigten sie immer wieder auf die Engelsburg, ergingen sich, dem Klang ihrer Stimmen nach zu urteilen, in wenig liebenswürdigen Bemerkungen über den Papst. Den inmitten des Gestrüpps flach auf den Boden gepressten Sam bemerkten sie nicht. Glücklicherweise machten sie kurz darauf wieder kehrt, ohne die Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen.
    Sam sah ihnen nach und wartete, bis sie die Straße erreicht hatten, bevor er sich wieder aufrichtete. Er hatte beschlossen, schnell zum Sonnenstein zu laufen, um sicherzugehen, dass er bei den Kämpfen nicht beschädigt worden war -vielleicht hatte er auch nur das Bedürfnis gehabt, ihn zu sehen und zu berühren? Aber noch etwas anderes beschäftigte ihn: Wenn er in Diavilos Lager ankam, würde man ihn mit Sicherheit von oben bis unten durchsuchen und ihm alles abnehmen, was irgendwie wertvoll aussah – ganz abgesehen davon, dass er Gefahr lief, umgebracht zu werden. Außerdem würde er, laut Rudolfs Anweisungen, neben dem Goldreif und Kluggs Abhandlung auch die gelochte Münze von Clemens VII. – die mit der Inschrift candor illaesus, »unbefleckte Reinheit« – brauchen, um Alicia zu befreien. Es war also klüger, die anderen Münzen, vor allem die graue, die ihn in die Gegenwart zurückbringen sollte, gut zu verstecken, damit sie nicht in Diavilos Hände gerieten.
    Sam arbeitete sich also auf allen vieren auf dem vom Regen durchtränkten Boden voran und spürte schon das beruhigende Pulsieren der Zeit in seinem Brustkorb. Er erreichte den kleinen Hügel auf gleicher Höhe mit Hathors Zeichen an der Mauer und grub in der Erde: Der Stein war immer noch da, unversehrt und funktionstüchtig. An einer anderen Stelle, ungefähr zehn Meter weiter rechts, vergrub er die sechs verbleibenden Münzen, schließlich wollte er nicht alles auf eine Karte setzen!
    Gerade wollte er zu seinem Boot zurücklaufen, als plötzlich drei weitere Reiter am Abhang aus dem Nebel auftauchten und ihre Streitrösser ebenfalls zum Flussufer führten. Zwei weitere folgten ihnen, dann kamen noch vier . . . Samuel robbte hinüber zu seinem Boot und benutzte den Schiffskörper als Deckung: eine ganze Abordnung von Soldaten kam die Uferböschung hinunter, um die Pferde zu tränken!
    Nach einer Weile – ihm kam es vor wie eine Ewigkeit, zumal er gegen den Schlaf ankämpfen musste, der ihn zu überkommen drohte – ertönte oben von der Straße her ein Hornsignal, begleitet von einem Trommelwirbel. Die Soldaten auf dem Bootssteg klatschten in die Hände und grölten vor Begeisterung, dann zogen sie ab. Es schien sich etwas anzubahnen...
    Samuel riskierte einen Blick über den Rand seines Bootes: Die Sonne löste gerade die letzten Nebelschwaden auf und ungefähr hundert Meter von ihm entfernt, auf der Anhöhe, setzte sich eine Kolonne metallgepanzerter Krieger in Bewegung wie eine Armee glänzender Maschinen. Einige waren hoch zu Ross, andere schwenkten rote und graue Standarten und alle sehnen etwas Unverständliches, das vom Rhythmus der Trommeln überdeckt wurde. Zu Hunderten und Aberhunderten zogen sie von den Befestigungsmauern des Borgo-Viertels aus zu neuen Kampfplätzen.
    Sam nahm wieder seinen Stadtplan zur Hand: Ein Stück weiter flussabwärts musste es eine Brücke geben. Es konnte durchaus sein, dass die Armee Karls V., nachdem sie im Westen den Palast von Clemens VII. erobert hatte, nun von Osten her angreifen wollte. Von Osten her, das hieß, von dort, wo Alicia gefangen war . . . Sobald die waffenklirrende Meute mit ihrem Kriegsgeschrei aus seinem Blickfeld verschwunden war, schob Sam sein Boot zurück ins Wasser, um den Fluss zu überqueren. Der mangelnde Schlaf der vergangenen Stunden machte ihm die Glieder schwer und er hatte einige Mühe, gegen die Strömung anzukämpfen, bis er endlich am gegenüberliegenden Ufer auf

Weitere Kostenlose Bücher