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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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eine schwimmende Plattform zutrieb, die aus aneinandergebundenen Booten und schmalen Stegen bestand. Die seltsame Anlegestelle sah einsam und verlassen aus, bis auf eine Winde, an der noch ein Warenballen baumelte. Sam folgte den Bootsstegen, durchquerte einen Holzschuppen und wollte über eine Treppe hinauf zur Straße laufen. Auf halber Höhe jedoch hielt er inne: Die Uferstraße erzitterte unter Hufgetrappel, von allen Seiten ertönte lautes Befehlsgeschrei. Der Sturm auf das Viertel war bereits in vollem Gange!
    Sam musste also seine Pläne ändern: Anstatt quer durch die Gassen zu laufen, würde er dem Flussufer folgen. Denn wenn er sein Ziel heil erreichen wollte, musste er sich vom Kampfgetümmel möglichst fernhalten ... Er lief vier- bis fünfhundert Meter auf der Uferböschung entlang, stapfte durchs Wasser, wenn der Sandstreifen zu schmal wurde, warf sich auf den Boden oder drückte sich dicht an die Felsen, wenn das Waffengerassel allzu nahe kam. Nach etwa einer halben Stunde kam er zu einer Reihe verfallener, über den Fluss hinausragender Schuppen, vermutlich alte Fischerhütten. Sam musste sich dringend etwas ausruhen und er entschied sich für die einzige der Hütten, die noch drei Wände und ein vollständiges Dach hatte. Er schob die alten Netze und Reste von Fischgräten auf dem Boden mit dem Fuß beiseite, bevor er sich ausstreckte, um sich eine kurze Verschnaufpause zu gönnen. Nein, nicht schlafen, nur im Schutz der Hütte abwarten, bis da draußen wieder etwas Ruhe eingekehrt war und man sich wieder in die Straßen wagen konnte, ohne gleich zur Zielscheibe der Söldner zu werden. Doch schon nach kurzer Zeit übermannte ihn die Erschöpfung . . . Er gähnte einmal, dann noch einmal, spürte, wie seine Augenlider plötzlich bleischwer wurden, versuchte noch, mit aller Kraft dagegen anzukämpfen, und sank dann doch in einen tiefen traumlosen Schlaf.
    Sam fuhr aus dem Schlaf hoch und hatte das Gefühl zu ersticken. Er schnappte nach Luft und schleuderte die stinkende Krake aus dünnen Schnüren und Gräten, die sich um sein Gesicht geschlungen hatte, beiseite.
    »Puh!«
    Er rutschte bis an die Rückwand der Hütte zurück und brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, wo er war. Rom . . . der Fluss . . . Alicia . . .
    Mit einem Satz war er auf den Beinen und spähte hinaus zum nahegelegenen Flussufer. Die Abenddämmerung senkte sich allmählich über die Stadt, auf der Brücke waren Fackeln entzündet worden und die Stadt lag im flackernden Schein Dutzender Feuer – vermutlich absichtlich gelegter Brände . . . Der wütende Schlachtenlärm war verstummt und hatte einem verwirrten Gemurmel Platz gemacht, hier und dort aufklingendem Gelächter und Gesang, aber auch herzzerreißenden Klagelauten. Wie lange hatte er geschlafen?
    Mit zitternden Fingern breitete er seinen Plan aus: Er hatte keine Wahl, er musste sich einen günstigen Weg mitten durch die eigentliche Stadt hindurch suchen. Also ließ er das Flussufer hinter sich, stieg hinauf zur Uferstraße und musste sofort wieder den Rückzug antreten, weil direkt vor ihm eine Gruppe von Soldaten ein Trinkgelage feierte. Er huschte hinüber in eine enge dunkle Gasse, die in die Stadt hineinführte, prallte gleich darauf jedoch gegen einen leblosen Körper, der an einem Galgen hing. Eine Leiche ... Er unterdrückte einen Schrei und lief schnell weiter. Dicht an die Mauern gepresst durchquerte er das Viertel, mehrere Male kam er an Wohnhäusern mit aufgebrochenen Türen vorbei, einige von ihnen waren ausgebrannt. Kein Lebenszeichen weit und breit, nur auf einigen Plätzen die Gelage der Plünderer. Die Bewohner der Stadt hingegen schienen sich in Luft aufgelöst zu haben.
    Nach einer Weile wurden die Häuser weniger und immer flacher, er musste den Stadtrand erreicht haben. Vor ihm öffnete sich ein weites unbebautes Gelände, nur hier und dort ragten ein paar vereinzelte Säulen und Tempel auf, halb im Boden versunken, als wäre ein tagelanger Regen aus Erde und Staub niedergegangen. Dort war auch das besagte runde Theater, wie ein beeindruckender steinerner Schiffsrumpf, der im Treibsand stecken geblieben war und an dessen Glanz aus ruhmreicheren Zeiten der unerbittliche Zahn der Zeit nagte. Vor allem aus seinem Arkadenkranz waren große Stücke herausgebrochen und die langen, in den Himmel ragenden Spitzen warfen im Mondlicht bizarre Schatten.
    Sam schlich geduckt ein paar Meter weiter und bezog hinter dem Sockel einer Säule Posten. Am Fuße dieser

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