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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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Handgelenk und führte in ins Lager hinein, wo ihre Ankunft eine Welle ähnlich ermutigender Kommentare auslöste. Zwischen den Zelten herrschte geschäftiges Treiben. An die hundert Männer waren dabei, ihre Waffen zu ölen, die Klingen zu schärfen, sich aus riesigen Kochkesseln zu bedienen oder etwas abseits die Pferde zu versorgen. Sie sahen allesamt zum fürchten aus, einäugig, mit den unterschiedlichsten Schnittwunden im Gesicht, verbeulten Nasen, abgerissenen Ohren. Doch jeder von ihnen ging ruhig seiner Aufgabe nach, woran man leicht ablesen konnte, welche Autorität ihr Kommandant genoss.
    Die Wache führte Sam zum größten Zelt, ungefähr in der Mitte des Lagers, und übergab ihn den beiden Kleiderschränken, die den Eingang versperrten. Die beiden mindestens zwei Meter großen Kolosse hatten so vernarbte Gesichter, dass Sam erst auf den zweiten Blick bemerkte, dass sie Zwillinge waren. Der erste packte ihn am Hals, während der zweite ihm das Buch entriss und ihm die Taschen leerte: Merwosers Armreif, den Stadtplan und sogar Maminas Kräutersäckchen. Damit verschwand er hinter dem dicken violetten Vorhang, der als Tür diente, und kam gut fünf Minuten später wieder, um Sam am Arm hineinzuzerren.
    Drinnen sah es aus wie in Ali Babas Höhle: Auf einem dicken, weichen Teppich lagen große Kissen im Halbkreis um eine edelsteinbesetzte Wasserpfeife verteilt. Auf der anderen Seite eines schimmernden, transparenten Vorhangs waren goldene Platten, Kristallflakons und wertvolles Geschirr angeordnet, als warteten sie nur darauf, dass die Tafel zur Abendmahlzeit gedeckt wurde. Der rückwärtige Teil des Zeltes sah aus wie ein Schlafzimmer und ein Antiquitätengeschäft zugleich: ein elegant geschwungenes Bett aus schwarzem Holz, das unter einer unglaublichen Menge von Nippes, Schwertern, Rüstungen und schillernden Stoffen, die aus halb geöffneten Truhen hervorquollen, beinahe versank. Dazu eine Vielzahl von Gemälden, achtlos an diverse Statuen gelehnt, die wiederum über und über mit Ketten und Ringen behängt waren. Die Beute dieses Tages?
    Auf dem einzigen Platz, der nicht ganz so überfüllt war, saß rechterhand Hauptmann Diavilo wie auf einem Thron und betrachtete versunken seine Schätze. Er war ganz in Schwarz gekleidet, an seiner Seite hing ein Dolch. Genau wie es der Schweizergardist im Papstpalast berichtet hatte, fehlte ihm die linke Hand: Aus dem bauschigen Ärmel seines Hemdes sah ein spitz zulaufender Haken hervor. Insgesamt war er von eher korpulenter Statur, mit pockennarbiger Haut, das rabenschwarze Haar im Nacken zu einem Zopf gebunden. Vor allem der durchdringende Blick aus seinen gelben Schlangenaugen, als könnte er jeden einzelnen Gedanken lesen, war nur schwer zu ertragen. Er musterte Sam von oben bis unten: seine jämmerliche Bekleidung und das dreckverschmierte Gesicht; dann gab er seinen beiden Schergen ein Zeichen:
    »Bringt unserem Gast einen Stuhl.«
    Er hatte eine tiefe, erstaunlich sanfte Stimme. Einer der beiden Kolosse holte neben dem Bett einen Stuhl hervor und zwang einen kleinlauten Samuel, sich rechts neben den Hauptmann zu setzen.
    »Es ist gut, ihr könnt gehen«, wies Diavilo seine beiden Diener an.
    Rückwärts, mit tiefen Verbeugungen, verließen sie das Zelt. Diavilo öffnete seine rechte Hand und betrachtete die Münze von Clemens VII, die in seiner Handfläche glänzte. Kluggs Abhandlung und Merwosers Armreif hatte er auf seine Knie gelegt, und Sam stellte beklommen fest, dass das Sehmuckstück seinen gewohnten Schimmer verloren hatte und nicht das kleinste Leuchten mehr von ihm ausstrahlte. Als habe man es seinem wahren Besitzer entrissen . .
    »Also stimmt es, dass du wegen des Mädchens gekommen bist?«, fragte der Hauptmann und seine Augen bohrten sich wie zwei goldene Angelhaken in die seines Gegenübers.
    Sam erwiderte den Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Auf keinen Fall durfte er sich seine Angst anmerken lassen. Alicias Bild trat ihm vor Augen und er fühlte sich auf einmal sehr stark.
    »Wo ist sie?«, brachte er heraus.
    »Bei den Kranken und Verletzten ... Es ging ihr in den letzten Tagen nicht besonders gut«, fügte er mit gespielt besorgtem Tonfall hinzu. »Ein plötzliches Fieber, das uns das Schlimmste fürchten ließ. Ich habe sie in die Hände meines Leibarztes gegeben und es sieht aus, als hätte sie sich etwas erholt. Zu unserer großen Erleichterung, wie du dir vorstellen kannst.«
    Alicia krank . . . Samuel erinnerte sich an das heftige

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