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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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gewaltigen Ruinen war eine ganze Zeltstadt aufgebaut. Diavilos Lager . .. Es war rundherum von einem Erdwall eingeschlossen und hatte nur einen einzigen Eingang, der von drei bewaffneten Soldaten bewacht wurde. Innerhalb der Umfriedung standen die Zelte, die meisten von erstaunlichen Ausmaßen, dicht an dicht. Dutzende von Menschen liefen von einem zum anderen hin und her oder hatten sich in kleinen Gruppen um große Ecuerstellen versammelt, deren knisternde Flammen hoch in den Himmel schlugen. Diese Ruhe und Disziplin, die offensichtlich unter Diavilos Truppen herrschten, standen in krassem Gegensatz zu den wüsten Gelagen, die Sam eben noch auf den Plätzen der Stadt gesehen hatte. Auch wenn es ihn nicht gerade ermutigte . . . Eigentlich hatte er gehofft, dass der allgemeine Siegestaumel der Soldaten ihm die Befreiung von Alicia erleichtern würde. Doch darauf durfte er sich offenbar nicht verlassen.
    Aus sicherer Entfernung beobachtete Sam die nähere Umgebung des Lagers. Sicher würde es ihm im Schutz der Dunkelheit gelingen, den Schutzwall zu überwinden, aber dann? Wie wahrscheinlich war es, dass er auf Anhieb das Zelt fand, in dem das Mädchen gefangen gehalten wurde? Und dass insbesondere dieses Zelt nicht unter strenger Bewachung stand? Und welche Chance hätten sie hinterher, sich zu zweit unbemerkt aus dem Lager zu schleichen? Keine, es sei denn, es geschah ein Wunder nach dem anderen.
    Wenn er das alles gegeneinander abwog, blieb Samuel keine andere Wahl: Er würde Wort für Wort den Anweisungen des Tätowierten folgen müssen und konnte nur beten, dass Diavilo seinen Teil der Abmachung ebenfalls einhielt. Er ließ die Goldmünze in seiner Hand tanzen: candor Illaesus... Unbefleckte Reinheit... Ob sich Il Diavolo davon erweichen ließ? Mit unsicherem Schritt ging Sam geradewegs auf den Eingang des Lagers zu. Sofort stürzte einer der Wachposten mit gezücktem Schwert auf ihn zu.
    »Halt! Wer da?«
    »Ich ... ich habe etwas für Hauptmann Diavilo«, rief Sam und hob die Hände.
    Mit drei Schritten war der Soldat bei ihm und hielt dem Eindringling ohne lange Vorrede seine Waffe an die Kehle.
    »Wenn du gekommen bist, um vom Hauptmann ein Almosen oder irgendeinen Gefallen zu erbetteln, bist du so gut wie tot«, schnauzte er.
    »Ich habe etwas für Hauptmann Diavilo«, wiederholte Sam und versuchte, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. »Hier, in meiner Hand . . .«
    Langsam öffnete er die Hand und hielt sie dem Wachposten entgegen. Misstrauisch nahm der die Münze.
    »Ein Golddukaten«, stellte er fest. »Mit einem Loch in der Mitte. Was soll das? Du bist kein Bettler? Trotz deiner zerrissenen, dreckigen Lumpen?«
    »Diese Münze muss dem Hauptmann persönlich übergeben werden«, erklärte Samuel beharrlich und beglückwünschte sich im Stillen, dass man ihm noch nicht die Kehle durchgeschnitten hatte. »Sie wird ihm beweisen, dass ich die Wahrheit sage und dass sich zwei Gegenstände von höchster Wichtigkeit in meinem Besitz befinden. Er weiß übrigens, worum es sich handelt . . .«
    Der Wachsoldat blickte einen Moment unsicher zwischen der Münze und dem Buch hin und her, das Samuel in der anderen Hand hielt, und beschloss, Verstärkung herbeizurufen.
    »Fabio! Komm her! Bring diesen Dukaten zum Zelt des Hauptmanns. Erklär ihm, dass dieser Rotzbengel hier ihn zu sprechen wünscht. Er sieht zwar nicht besonders gefährlich aus, aber er ist vielleicht ein Spion des Papstes . . . Wenn der Hauptmann es für besser hält, ihn einen Kopf kürzer zu machen, sag ihm, dass ich die Sache auf der Stelle erledige.«
    Er sagte das so unaufgeregt, als gehörte es zu seinen alltäglichen Aufgaben, Menschen die Köpfe abzuschlagen. Routine sozusagen . . .
    Mehrere Minuten lang verharrte Samuel in dieser recht unbequemen Position: einen Arm in die Luft gestreckt, den anderen nach vorn, die Schwertspitze der Wache knapp unterhalb des Kehlkopfes. Dann endlich kehrte der junge Fabio mit der Antwort des Hauptmanns zurück:
    »Der Hauptmann verlangt, dass man ihn zu ihm führt«, verkündete er außer Atem. »Sofort!«
    Eins zu null für mich, dachte Sam und senkte den Arm.
    Doch sofort dämpfte der andere Soldat seinen Optimismus:
    »Freu dich nicht zu früh, Bengel, der Hauptmann treibt gern seine Spielchen mit Nervensägen wie dir. Und wenn ich es recht bedenke, wäre es für dich bestimmt besser gewesen, wenn ich dich sofort. . .«
    Mit diesen aufmunternden Worten packte ihn sein neuer Schutzengel am

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