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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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Fieber, das seine Cousine Lili befallen hatte, nachdem sie beide im Chicago von 1932 gelandet waren. Setni hatte erklärt, dass es sich um die »Zeitkrankheit« handelte, die Neulinge zuweilen befiel.
    »Ich will sie sehen«, verlangte Sam mit einer Entschiedenheit, die ihn selbst überraschte.
    »Ganz langsam, mein Junge«, gab Diavilo zurück, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Erst müssen wir etwas besprechen.«
    »Da gibt es nichts zu besprechen. Das Buch und der Armreif gegen meine Freundin, wie vereinbart.«
    »Wie vereinbart, natürlich . . .«, murmelte der Hauptmann abwesend, als ob ihm entfallen wäre, dass es so etwas wie eine Vereinbarung gab.
    Geschickt nahm er das Schmuckstück mit seinem Haken auf und ließ es auf den Arm einer Statue neben seinem Sessel rutschen. Dann vertiefte er sich in Kluggs Abhandlung, bei einigen Seiten verweilte er etwas länger, über andere blätterte er schnell hinweg. Samuel wagte nicht, ihn zu unterbrechen, und drückte sich selbst die Daumen, dass Diavilo gleich das Buch zuklappen und so etwas sagen würde wie: »Alles klar, mein Junge, Glückwunsch! Nimm deine Freundin und hau ab!«
    Stattdessen fragte Diavilo, als er seine Lektüre beendet hatte: »Weißt du, wie viel unser gemeinsamer Freund mir für diesen kleinen Dienst bezahlt hat? Ich meine, um dieses Buch und das Schmuckstück zu beschaffen?«
    Samuel schüttelte den Kopf.
    »Fünftausend Golddukaten. Ein hübsches Sümmchen, nicht wahr? Für ein altes Buch voller unverständlicher Zauberformeln und einen simplen Armreif, der zehnmal weniger wert ist als irgendetwas, was du hier siehst... Und weißt du, warum er die Angelegenheit ausgerechnet mir übergeben hat?«
    Obwohl er nicht genau sagen konnte, warum, gefiel Sam die Richtung, die ihr Gespräch jetzt nahm, überhaupt nicht.
    »Das interessiert mich nicht«, erklärte er. »Ich will nur, dass Ihr Alicia freilasst.«
    »Das sollte es aber«, spottete Diavilo, »es ist nämlich äußerst lehrreich. In Wirklichkeit brauchte unser Freund jemanden, der die Sprache der Mohammedaner spricht. Arabisch, wenn dir das lieber ist . . . Um überprüfen zu können, dass dieses Buch tatsächlich das ist, welches er erwartet. Zufällig habe ich einige Zeit bei den Ottomanen gelebt. Genauer gesagt, in ihren Gefängnissen. Eine äußerst bereichernde Erfahrung . . .«
    Seine Pupillen verengten sich zu zwei kleinen Punkten geschmolzenen Metalls und er hob wie zur Untermalung seinen amputierten Arm.
    »In Wahrheit«, fuhr er fort, »habe ich dort sogar den Tod gefunden . . . Lach nicht, ich erzähle keine Märchen: Ich bin wirklich und wahrhaftig tot. Eines Tages wurde ich mitten auf dem Meer von Piraten des Sultans gefangen genommen und in ihren Kerker geworfen. An dem, was man mir dort angetan hat, bin ich schließlich umgekommen und, wie zu erwarten war, in der Hölle wieder aufgewacht . . . Mein Sündenregister war schon lang, das muss ich sagen! Als ich die Augen öffnete«, fügte er hinzu und beugte sich zu Sam, »war ich mitten im Fegefeuer.«
    Er sprach wie im Fieberwahn und Sam hütete sich, ihm zu widersprechen. Zumal in seinen Pupillen in der Tat züngelnde Flammen erschienen.
    »Aber mein Wille war stark«, redete er weiter, »so stark, dass ich unter die Lebenden zurückkehrte. Das hat mich meine linke Hand gekostet... Ein lächerlicher Preis, glaub mir. Seitdem weiß ich ganz genau, was mich im Jenseits erwartet. Und im Vergleich zu den Schmerzen, die ich dort erleiden werde, kann mir nichts, was mir in diesem Leben geschieht, mehr etwas anhaben. Vermutlich haben deshalb auch alle, die mir gehorchen, Vertrauen zu mir: Nichtsnutze, Diebe, Mörder, sie alle wissen, dass ich den Weg gegangen bin, den sie eines Tages noch vor sich haben. Ich bin für sie so etwas wie ein Führer geworden.« Die größte Stärke dieser Art Spinner ist, dass sie selbst so von ihrem Wahn überzeugt sind, dachte Samuel . . .
    »Ich erzähle dir das, damit du eine Sache verstehst: Durch Geld allein lasse ich mich nicht blenden. Nicht einmal durch die fünftausend Golddukaten, die mir unser Freund versprochen hat. Also habe ich mich gefragt: Was steckt so Wertvolles in diesem Zauberbuch, dass er bereit ist, ein solches Vermögen dafür zu zahlen? Und was hat er mit diesem Armreif vor? Die Erklärungen, die er mir bislang dazu geben wollte, sind zu ausweichend: eine alte Abhandlung, von mehreren arabischen Weisen in Folge überarbeitet, deren Wert vor allem ihre Einzigartigkeit sein

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