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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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holen, dann stieß er Diavilo beiseite, der nur schwachen Widerstand leistete. Nur wenige Meter trennten ihn von den Zwillingen. Er stellte fest, dass der Dolch sich um ein paar Zentimeter gesenkt hatte, Alicia versuchte, mit einer Kopfbewegung auszuweichen, und Castor hatte sich leicht zu ihr gedreht, um sie zu stoppen. Alle drei waren nicht vollkommen erstarrt, sondern nur unglaublich verlangsamt . . .
    Sam versetzte Pollux einen Tritt in die Magengrube, woraufhin dieser ins Schwanken geriet und mit ungeahnter Langsamkeit nach hinten kippte. Damit war auch die gefährliche Klinge aus dem Weg geräumt.
    Als Nächstes stürzte Sam sich auf den Zwillingsbruder, der sein Opfer immer noch umschlungen hielt, und riss ihn nach hinten, damit er das Mädchen losließ. Obwohl so gut wie bewegungsunfähig, war der Riese immer noch unglaublich stark und Sam musste ihm mit aller Kraft die Finger verrenken, bis sich sein Griff endlich lockerte.
    Und jetzt zu Alicia . . .
    »Ich weiß nicht, ob du mich verstehst«, raunte er ihr ins Ohr, »aber du wirst mir helfen müssen . . .«
    Er legte ihr die Arme unter die Achseln und zog sie hoch, sodass sie auf die Knie kam, dann bückte er sich und hob sie über seine rechte Schulter. Unter normalen Umständen wäre es fast unmöglich gewesen, sie so zu tragen, doch durch die Veränderung der Zeit fühlte er sich wie elektrisiert und sprühte geradezu vor Energie.
    Er schob den violetten Vorhang beiseite und schlüpfte ins Freie. Diavilos Lager bot ein unwirkliches Schauspiel: Dutzende von Männern waren bei ihren abendlichen Tätigkeiten überrascht worden und standen wie festgewachsen zwischen den Zelten. Einer führte Millimeter für Millimeter seinen Löffel zum Mund, ein anderer wollte seinem Nachbarn auf die Schulter klopfen, doch er schien mitten in der Bewegung innezuhalten. Der Dritte versuchte erfolglos, etwas auf den Boden zu spucken . . . Selbst das Feuer leuchtete wie erstarrt, und als Sam es in seinem Überschwang berührte, spürte er kaum ein Brennen.
    Sobald er Alicias Gewicht auf seiner Schulter sicher ausbalanciert hatte, machte er sich auf den Weg zum Ausgang des Lagers, sich an den versteinerten Soldaten vorbeischlängelnd, die ihm den Weg verstellten. So schnell er konnte, durchquerte er das Gelände mit den halb versunkenen Säulen und Ruinen, das ebenfalls in einen grünlichen Nebel gehüllt war. Jeder seiner Schritte versetzte die Lurt in kräftige Schwingungen, bei jedem Atemstoß entwich ein feines Netz aus Luftblasen, die über seine Wangen rollten. Als würde er auf dem Grund eines Ozeans aus grünem Sirup waten und atmen wie ein Fisch . . .
    Knapp hundert Meter hatte er zurückgelegt, als er spürte, wie Alicia auf seiner Schulter schwerer und schwerer wurde und es ihn immer größere Mühe kostete, seinen Herzschlag im Einklang mit dem Rhythmus der Zeit zu halten. Ein schmerzhafter Krampf begann sich in seiner Brust auszubreiten ... Doch was blieb ihm anderes übrig, als einfach weiterzulaufen? Wie lange dieser Zustand auch anhalten würde, er musste ihn noch ausnutzen, um Diavilo so weit wie möglich zu entkommen.
    Endlich erreichte er die ersten Häuser der Stadt und bog in die nächstgelegene Gasse ein. Er legte eine kurze Atempause ein, seine Beine brannten wie Feuer und vor allem weitete sich der stechende Schmerz in der Herzgegend aus. Ohne Alicia loszulassen, lehnte er sich gegen eine Mauer und konzentrierte sich, um den Puls der Zeit nicht zu verlieren. Es gelang ihm, zumindest vorläufig, den Rhythmus festzuhalten, und sofort machte er sich wieder auf den Weg, nun allerdings mit gemäßigterem Schritt. An zwei ausgebrannten Gebäuden vorbei schaffte er es noch bis zur nächsten Häusergruppe. Dann konnte er beim besten Willen nicht mehr: Sein Brustkorb schien von glühenden Zangen zusammengedrückt zu werden, sein Herz drohte im nächsten Augenblick zu explodieren, nicht in der Lage, den ihm aufgezwungenen, anormalen Rhythmus länger zu ertragen. Am Rande des Zusammenbruchs entschied Sam sich für eine enge Gasse, in der mehrere Türen aufgebrochen worden waren, und trat durch den nächsten offenen Hauseingang. Vorsichtig legte er Alicia auf dem Lehmboden der Eingangshalle ab und brach neben ihr zusammen, am Ende seiner Kräfte. Er schloss die Augen, sein Herz zuckte schmerzhaft zusammen, während ein lauter Knall die Luft durchschnitt. Die Zeit nahm wieder ihren normalen Lauf... Er spürte, wie Alicia sich sofort neben ihm bewegte, und legte ihr

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