Der magische Reif
dass dein Vater in Schloss Bran war, ich weiß, was er dort holen wollte, ich weiß, was du von dort mitgebracht hast. Ich muss ihn haben, da lasse ich nicht mit mir handeln.
Aber du wirst dich sicher fragen, was du im Austausch dafür bekommst? Wofür wirst du mir dein Schmuckstück überlassen? Genauer gesagt, für wen?
Bevor ich es dir erkläre, erlaube mir, kurz in die Vergangenheit zurückzukehren – das bist du ja gewohnt, soweit ich weiß! Ich muss sagen, ich fand euch beide sehr rührend, neulich in der Klinik . . . Ich kam aus dem Personalaufgang und ihr wart gerade neben dem Kaffeeautomaten. Ihr habt euch so intensiv in die Augen geschaut, dass ihr nicht einmal miteinander reden konntet. . . Ihr saht in diesem Moment so verletzlich aus, so unbeholfen! Ich wollte euch natürlich nicht stören, eine Frage des Respekts – ich bin sehr respektvoll, musst du wissen . . . Aber das hat mich auf eine Idee gebracht. Was könnte letztendlich ein wertvolleres Pfand sein als Alicia? Du scheinst wirklich sehr an ihr zu hängen, nicht wahr? Du hast übrigens einen guten Geschmack, ein sehr hübsches Mädchen. Es wäre bedauernswert, wenn ihr etwas zustoßen würde.
Samuel schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte.
»Mistkerl! Dieser Mistkerl!«
Unbändige Wut erfasste ihn. Es war der Tätowierte! Der Tätowierte hatte Alicia entführt! Und er saß hier hilflos auf seinem Stuhl und musste diesem Albtraum ins Auge sehen.
Natürlich zwingt dich niemand, mir zu glauben, Samuel! Aber ich rate dir, mal bei den Todds anzurufen – selbstverständlich ohne mich zu erwähnen, das gehört zu unserem Vertrag. Die armen Leute dürften mittlerweile vollkommen am Ende sein und wären sicher glücklich, die Stimme eines Freundes zu hören. Stell dir vor, das Beste ist noch, dass Alicia völlig ahnungslos zu unserer Verabredung gekommen ist! Und aus gutem Grund: Sie glaubte nämlich dich zu treffen! Ich kann dir sagen, das Leben ist voller Überraschungen!
»Der Mistkerl hat mich als Lockmittel benutzt!«
Er hörte plötzlich Schritte auf dem Gang und hatte gerade noch Zeit, die E-Mail vom Bildschirm verschwinden zu lassen, als Rudolf, gefolgt von Evelyn und Helena Todds, ins Zimmer trat.
»Nun?«, fragte Rudolf. »Wir haben dich schreien hören. Gab es eine Nachricht auf deinem Handy?«
»Nein«, sagte Samuel gepresst, »Alicia hat mich nicht angerufen.« »Du bist weiß wie die Wand«, stellte Helena fest.
Samuel musste sich mit aller Kraft zusammenreißen, um nicht zusammenzubrechen und ihnen alles über den Tätowierten und den Goldreif zu erzählen. Vielleicht hätte er von ihnen wichtige Unterstützung bekommen können? Oder sich zumindest von der Last befreien können, die ihm den Magen zuschnürte? Doch abgesehen davon, dass ihm keiner der drei geglaubt hätte, war ihm bewusst, dass vielleicht Alicias Leben von seinem Schweigen abhing.
»Ich mag Alicia sehr«, rechtfertigte er sich, »und ich . . . ich bin einfach wie vor den Kopf geschlagen.«
»Sie mag dich auch sehr«, sagte Helena Todds und fuhr ihm mit der Hand liebevoll durchs Haar. »Ich glaube sogar, dass es mit deinem Wiederauftauchen zu tun hat, wenn sich ihr Verhältnis zu Jerry verschlechtert hat. Es muss vieles in ihr aufgewühlt haben . . .«
Samuel senkte den Kopf. Auf jeden Fall wäre sie ohne ihn jetzt nicht in der Gewalt des Tätowierten . . .
»Wusste Jerry, ob sie gestern Abend direkt nach Hause gehen wollte?«, fragte er mit einem dicken Kloß im Hals.
»Nun ja . . . Offenbar haben sie sich gestritten. Jerry ist sehr eifersüchtig und du weißt, wie schroff Alicia manchmal sein kann. Sie hat sich nicht einmal von ihm verabschiedet.«
»Wenn es zwischen den beiden nicht mehr so gut lief«, meldete sich Tante Evelyn zu Wort, »ist es doch möglich, dass der Junge wütend geworden ist, vielleicht auch gewalttätig, und ihr Angst gemacht hat.«
»Jerry Paxton hat nichts mit Alicias Verschwinden zu tun!«, versicherte Sam.
jein energischer Ton brachte ihm einen giftigen Blick seiner Tante ein, während Helena Todds niedergeschlagen seufzte.
»Ich glaube auch nicht, Sam, dass Jerry irgendetwas damit zu tun hat. Alicia brauchte vielleicht nur eine kleine Auszeit und hat vergessen, jemandem Bescheid zu sagen. Sicher wird sie im Lauf des Vormittags wieder auftauchen, uns anlächeln und sich entschuldigen, dass sie uns solche Sorgen bereitet hat. . .«
Sie sah auf ihre Armbanduhr.
»Ich sollte lieber nach Hause fahren, ich möchte Mark
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