Der magische Reiter reiter1
nicht zulassen«, plapperte Sperren weiter, »dass Zivilisten sich als Diener des Reiches verkleiden.«
Blablabla, dachte Laren.
Der König saß ruhig auf seinem Sessel, den Blick seiner braunen Augen versonnen ins Leere gerichtet, ein Bein über das andere geschlagen, das Kinn in die Hand gestützt. Ein silbernes Stirnband, das er, wie sie wusste, eher als Joch denn als Symbol seiner königlichen Herrschaft ansah, krönte ihn. Sein Bart ließ ihn älter und weiser erscheinen, doch Laren wusste, dass sich hinter dem Bart ein müder junger Mann verbarg. Auf seinem Schoß lag zerknüllt die so überaus wichtige Botschaft. Jedenfalls dürfte sie wichtig sein.
Laren fragte sich, in welchen Gefilden der König sich gedanklich gerade aufhielt, denn er schien nicht geneigt, sich an dem Gespräch – oder vielmehr den Spötteleien – seiner Berater zu beteiligen. Vermutlich durchstreifte er just mit seinen Hunden, die um ihn herumtollten, die grünen Hügel seiner ererbten Ländereien, lauschte der brausenden See und den Schreien der Möwen und spürte den Wind auf seinem Gesicht. Das heißt, er war in Gedanken dort, wo er sich jetzt befände, wenn sein Vater nicht alle damit erstaunt hätte, ihn zum Erben des Reichs zu ernennen.
Zacharias hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt und eigentlich die Absicht gehabt, als Statthalter über die Provinz Hillander zu herrschen und Hunde zu züchten, während sein Bruder die Schmutzarbeit machen und sich um die Amtsgeschäfte des Reichs kümmern sollte. Doch König Amigast hatte Prinz Amilton zu guter Letzt durchschaut. Er hatte miterlebt, wie das verwöhnte Balg zu einem verwöhnten
Mann heranwuchs, der nicht die geringste Befähigung zum Befehlshaber besaß. Das aufbrausende Temperament des Prinzen hatte sich darin gezeigt, dass Bedienstete Blessuren davontrugen, er Bettgenossinnen misshandelte und eine große Anzahl guter Pferde zuschanden ritt. Zacharias hätte seinen Bruder nie in die Nähe seiner Hunde gelassen. Jeder kannte Amiltons Naturell, doch niemand hatte damals etwas gesagt, weil sein Vater lediglich die angenehme Seite seines Sohnes gesehen hatte. Und Prinz Amilton konnte sehr angenehm sein.
Dann war eine Abordnung von den Wolkeninseln nach Sacoridien gekommen, um Handelsvereinbarungen zu treffen. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern waren nie besonders stabil gewesen, und König Amigast hatte die Freundschaft der Inseln gesucht, weil ihm klar gewesen war, dass Sacoridien dadurch wirtschaftlich eine führende Rolle zuteil würde. Prinz Amilton hatte die Tochter eines der Abgesandten vergewaltigt, ein Mädchen von kaum mehr als zehn Jahren.
Als Prinz Amiltons Tat ruchbar geworden war, waren die Handelsvereinbarungen abgebrochen worden. Der König hatte endlich darauf gehört, was sich hinter vorgehaltener Hand schon lange erzählt wurde – auf den Klatsch über die Gewissenlosigkeit seines Sohnes. Entsetzt darüber, dass sein eigen Fleisch und Blut zu solch einer Tat fähig war, war sein Blick deshalb auf seinen anderen Sohn gefallen, Prinz Zacharias, das Arbeitstier – den Sohn, der sich, während sein Vater Prinz Amilton erfolglos in den Maximen der Königsherrschaft unterwiesen hatte, in seinen Studien ausgezeichnet und gelernt hatte, die Amtsgeschäfte einer Provinz zu führen, und der viel gereist war, um sich mit Land und Leuten vertraut zu
machen. Als König Amigast Zacharias zu seinem Erben ernannt hatte, hatte jeder erleichtert aufgeatmet. Fast jeder.
Prinz Amilton, verbittert durch den Verlust des Throns und voller Hass, war als Statthalter in die Provinz Hillander zurückgekehrt. Doch seine Maßlosigkeit ging weiter, der Reichtum des Clans schwand, und die Provinz darbte unter seiner Herrschaft. Zacharias, nun König, verbannte seinen Bruder aus der Provinz und jagte ihn aus dem Land. Niemand wusste, was aus Prinz Amilton geworden war. Laren hatte ihre eigenen Vorstellungen darüber und gehofft, die Botschaft würde ihre Vermutungen bestätigen.
»Hauptmann?«
»Hmmm?«
»Hauptmann.«
Laren blinzelte. Die Berater starrten sie alle an. Sie richtete sich im Stuhl auf und räusperte sich, peinlich berührt, dass man sie bei Tagträumereien erwischt hatte. »Ja?«
»Was hat es mit diesem Mädchen auf sich?«, fragte Sperren. »Würdet Ihr uns das bitte erklären?«
Endlich flackerte so etwas wie Interesse in den Augen des Königs auf.
»Karigan G’ladheon ist eine Ausreißerin aus der Schule in Selium. Ihr Vater ist Kaufmann
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