Der magische Reiter reiter1
leistete Mel ihr Gesellschaft, eine Freundin inmitten der Waffen mit den steinernen Mienen, die ihre Tür bewachten. Schließlich erlaubte man ihr, Mel zum Stall zu begleiten, um ihr bei ihren täglichen Pflichten zu helfen und Kondor zu besuchen, doch stets mit einer Waffe im Schlepptau. Die Normalität der Arbeiten, das Summen der Fliegen, das Stampfen der Hufe, die vertrauten Gerüche nach Leder und Dung und Mels bodenständige Art beruhigten Karigans Nerven; sie vergaß darüber fast, dass ihr beständig ein schweigsamer Schatten folgte.
Mel schaufelte mit einer Mistgabel Dung aus dem Stall auf einen Schubkarren, und Karigan stützte sich mit den Ellenbogen auf der Stalltür ab. »Ich muss schon sagen«, meinte Mel, »dieser Besucher hat die Leute in der Burg in helle Aufregung versetzt. Ich bin sicher, dass sie dich völlig vergessen haben.«
»Was für ein Besucher? Hauptmann Mebstone hat neulich Abend etwas erwähnt.«
Mel lehnte sich auf ihre Gabel und wölbte die Brauen. »Du hast noch nichts davon gehört? Aber andererseits, wie solltest du auch? Am Tag nach deiner Ankunft kam einer dieser Eleter in die Burg geritten.«
»Ein Eleter?«, fragte Karigan ungläubig.
»Ja, wie in den alten Geschichten. Kennst du die?«
»Sicher. Was macht denn ein Eleter hier?«
Mel hielt inne, um einen Schwarm Fliegen wegzuwedeln, der ihr um das Gesicht herumschwirrte. »Also, das wüsste ich auch gern. Hauptmann Mebstone sagt, es hat schon so lange niemand mehr einen gesehen, dass keiner wusste, ob es sie überhaupt jemals gegeben hat. Und plötzlich taucht einer hier auf und stattet König Zacharias einen Besuch ab.«
»Ich bin einmal einem Eleter begegnet«, sagte Karigan.
»Red keinen Unsinn.«
»Wirklich. Aber zu der Zeit ging es mir sehr schlecht, und ich bekam nicht viel mit. Wenn du mir nicht glaubst, frag doch Hauptmann Mebstone.«
Mel stieß einen leisen Pfiff aus. »Sie würde wissen, ob du lügst oder nicht. Sag mal, ich frage mich, ob das derselbe ist.«
»Hat er einen Namen genannt?«
Mel kratzte sich am Kopf und dachte kurz nach. »Shaw … Shaw irgendwas, Shawdale. Nein, Augenblick. Shawdell. So heißt er.«
Karigan schüttelte enttäuscht den Kopf. »Nein, das ist nicht derselbe.«
»Hauptmann Mebstone sagte, sie hätte noch nie zuvor solche Haare gesehen. Wie gesponnenes Gold, meinte sie. Und sie kann ihn nicht lesen, weißt du, ehrlich nicht. Sie sagt, er weiß, wie man seine Gedanken abschirmt.«
»Eleter sind anders«, sagte Karigan, und ihr fiel der Rhythmus des lautlosen Gesangs wieder ein, den sie vor langer Zeit auf einer Lichtung gehört hatte, die sie nie mehr wiederfinden würde. »Kindlich, uralt, magisch und wunderschön, alles zugleich.
Sicher, eigentlich habe ich nur diesen einen gesehen, und wer weiß, wie die anderen sind. Schließlich gibt es auch gute und schlechte Sacorider.« Auf einmal kam ihr Immerez in den Sinn. Sie zuckte mit den Achseln. »Aber es ist schon seltsam, dass nach so langer Zeit einer hier auftaucht.«
»Er will die Bande mit Sacoridien neu knüpfen.« Ein Schattenriss erschien zwischen den großen Schiebetüren des Stalltors. Es war der Grüne Reiter Alton D’Yer. Er schritt auf sie zu, und seine Züge traten scharf hervor, als er in das Zwielicht des Stalls trat. Seine Schultern waren selbstbewusst hochgereckt. Über seinem Gürtel hingen ordentlich gefaltet die Handschuhe, und kein Stäubchen hätte auf seinen auf Hochglanz gewienerten Stiefeln Halt gefunden. Er wies auch keinerlei Narben oder sonstige Spuren früherer Verletzungen auf, wie das bei so vielen anderen Reitern der Fall war.
Er war der einzige Reiter, der es wagte, sich Karigan zu nähern und sie direkt anzusprechen, ohne sich von den Waffen oder den Gerüchten über ihr merkwürdiges Erscheinen einschüchtern zu lassen. Jedenfalls hoffte sie, dass es die Waffen waren, die die anderen veranlassten, sich von ihr fernzuhalten, und nicht etwas an ihr.
Er berührte seine Stirn und verbeugte sich anmutig. »Alton D’Yer, zu Euren Diensten.«
Karigan hob eine Braue. Eine formelle Begrüßung. Sie legte eine Hand auf das Herz und erwiderte die Verbeugung. »Karigan G’ladheon vom Clan G’ladheon, ich stehe Euch zu Diensten.«
»Ah«, sagte er, »ein Kaufmannsclan.«
Karigan nickte und erwartete den üblichen Spott, doch nichts dergleichen geschah. Er war ein D’Yer, entstammte einer sehr alten Familie, einer Blutlinie, die sich unmittelbar
von den ersten Clans von Sacor herleitete.
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