Der magische Reiter reiter1
vollständige Uniform einer Grünen Reiterin, die schwarzen Stiefel auf Hochglanz poliert, der Kragen gestärkt und mit einer schwarzen Halsbinde versehen und die Handschuhe über dem Gürtel zusammengelegt. Die Brosche mit dem geflügelten Pferd klemmte sie sich an den kurzen Mantel, und es störte sie nicht, dass der König
sie nicht einmal würde sehen können. Jetzt fehlte ihr nur noch der Säbel, und ihre Ausstattung wäre mustergültig gewesen.
Die Uniform war geplättet worden und hatte rasiermesserscharfe Bügelfalten und einen strengen Zuschnitt. Hauptmann Mebstone versuchte offenbar, etwas besonders hervorzuheben, indem sie ihr diese Kleidung gab. Karigan fühlte sich furchtbar unwohl darin; weniger, weil sie ihr auf der Haut kratzte, sondern weil sie sich sicher war, dass jeder, dessen Blick auf sie fiel, durch sie hindurchschauen würde, als versuche sie, als jemand durchzugehen, der sie nicht war: wie eine Hochstaplerin. Natürlich hatte sie schon zuvor die Felduniform getragen, doch das war etwas anderes gewesen. Ihre gesamte Kleidung war zerfetzt gewesen, und sie hatte nur die Wahl gehabt, entweder Grün oder gar nichts zu tragen.
»Ich verstehe nicht, weshalb ich das anziehen musste«, sagte Karigan, als sie dicht hinter Hauptmann Mebstone den Burghof überquerte. Sie mied den Blick der anderen, obwohl die wenigsten sie überhaupt bemerkten. Einige Grüne Reiter hasteten allerdings hierhin und dorthin und lächelten, als sie sahen, wie sie herausgeputzt war.
»Bei Hofe zählt fast nur das äußere Erscheinungsbild«, sagte Hauptmann Mebstone. »Als der König dich zum ersten Mal gesehen hat, warst du gerade unter bemerkenswerten Umständen eingetroffen, die verhinderten, dass du schön herausgeputzt warst. Natürlich erwartet er es nicht anders, wenn eine Botschaft überbracht wird, doch zu anderen Zeiten ist ein geschniegeltes Äußeres unumgänglich.«
Karigan wollte einwenden, dass sie schließlich gar keine Grüne Reiterin sei, doch sie befanden sich schon im Thronsaal, und ihr Blick fiel durch den gewölbeartigen Raum auf
einen einzelnen Mann, der in einem reich verzierten Sessel saß, einen Hund zu seinen Füßen. Es waren keine Berater zugegen, wie Hauptmann Mebstone gewünscht hatte, obwohl die allgegenwärtigen Waffen in den Schatten lauerten.
Als sie auf den König zuging, Hauptmann Mebstone neben sich, kam der weiße Hillander-Terrier schwanzwedelnd den Läufer entlang auf sie zugetrabt. Er sprang zur Begrüßung an Karigan hoch, und sie vergaß völlig, wo sie sich befand, und beugte sich vor, um ihm den Kopf zu streicheln. Hauptmann Mebstone stupste sie in die Rippen, und sie gingen weiter, durch Bahnen von Sonnenlicht hindurch, das durch die Fenster der Westseite fiel. Der Hund trottete neben ihnen her.
Karigan ahmte die Verbeugung von Hauptmann Mebstone nach, die für ihren Geschmack eher karg und nüchtern ausfiel, verglichen mit den traditionellen Verbeugungen der Clans.
Der König war noch recht jung für einen König, jedenfalls was Karigans Vorstellung von einem König anging. Er war nicht mehr als zehn oder fünfzehn Jahre älter als sie selbst, obwohl ein bernsteinfarbener Bart ihn erwachsener erscheinen ließ. Er erinnerte sie an eine jüngere Ausgabe von jemandem, den sie einmal irgendwo gesehen hatte, doch Ort und Zeitpunkt fielen ihr nicht mehr ein.
Und dann waren da seine Augen. Die mandelförmigen braunen Augen, die typisch waren für die Gegend von Hillander, in der man aufs Meer hinausschauen und bis zum Horizont sehen konnte und zwischen Himmel und Erde nichts weiter fand als das beständige Wogen der See. Es hieß, in den Adern der Menschen von Hillander fließe mehr Salzwasser als Blut. Und hier saß der König gefangen in seiner steinernen Burg, inmitten einer vor Spannung knisternden Atmosphäre. Auf seinem Gesicht lag der Ausdruck eines jungen Kapitäns,
der im Binnenland gestrandet war, unter schwerem Wetter litt und sich nach frischer Luft und der unermesslichen Weite des Ozeans sehnte, nach dem rhythmischen Klatschen und Rauschen der Brandung.
Der König hockte zusammengesunken und müde auf seinem Thronsessel, den Kopf auf die Hand gestützt. Seine Augen blinzelten schläfrig, während er Hauptmann Mebstone lauschte, die Karigan formell anzukündigen begann.
»Wegtreten, Hauptmann.«
Laren Mebstone hielt mitten im Satz inne, und der Mund stand ihr offen, bis sie auf den Gedanken kam, ihn wieder zu schließen. »Ja, Sire.« Sie warf Karigan einen
Weitere Kostenlose Bücher