Der magische Reiter reiter1
schlagen. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, und sie sah die Sorge in seinen Augen.
An Shawdell gewandt, sagte er: »Du wirst dem ein Ende machen, Verräter.«
»Verräter?« Shawdell gluckste. »Ich bin niemandem zu Treue verpflichtet, und ganz gewiss keinem sterblichen König wie dem von Sacoridien.«
Der Geist eines Knaben wankte vorbei und streckte die Hand aus, um einen alten Grünen Reiter aufzulösen. Karigan rieb sich die Augen und bemühte sich, nicht an die Geister zu denken. »Weshalb hast du dann versucht, dich König Zacharias’ Fürstengunst zu versichern?«
»Seiner Fürstengunst? Sacoridien grenzt an Kanmorhan
Vane, der einzigen größeren Machtkonzentration, die es in dieser Welt noch gibt. Dein König weigert sich, diese Situation zu seinem Vorteil zu nutzen, doch Prinz Amilton versteht, wie bedeutsam das ist.«
»Was gewinnt Eletien dadurch?«, fragte Alton, und seine Augen drückten Fassungslosigkeit aus.
»Eletien? Ein Land von Narren, die sich unablässig verbergen, unablässig zwischen Bäumen verstecken. Ich diene mir selbst, doch niemals Eletien. Es wird Zeit, dass die alten Mächte auferstehen. Und du, mein Lord Alton D’Yer, bedrohst diese Mächte. Du besitzt die Fähigkeit, den Riss im Wall deiner Ahnen wieder zu schließen.«
Schneller als das Auge folgen konnte, und während die Geister noch um ihn herumwirbelten, hob Shawdell seinen Bogen, flüsterte etwas, als spräche er mit sich selbst, und schoss seinen Pfeil ab. Karigan schrie auf. Alton ließ sein Schwert fallen und hob die Hand, die Innenfläche nach außen, wie um den Pfeil aufzuhalten. Und es gelang ihm. Eine Armeslänge vor seiner Brust traf der Pfeil auf ein unsichtbares Hindernis und fiel zu Boden. Alle drei blickten im höchsten Grade verblüfft auf den Pfeil.
»Ich … ich habe mir eine Granitmauer vorgestellt«, sagte Alton.
»Ihr Grünen habt erstaunliche Verteidigungsmittel«, sagte Shawdell, »doch sie richten ebenso wenig aus wie der D’Yer-Wall. «
Bevor Alton reagieren konnte, hatte Shawdell schon einen weiteren Pfeil eingelegt, den Bogen gespannt und geschossen. Diesmal überflog der Pfeil die unsichtbare Mauer und traf sein Ziel, drang in Altons Seite ein. Alton taumelte und brach zusammen.
Mit einem verzweifelten Aufschrei kniete Karigan sich neben ihn. Der Pfeil war nicht tief eingedrungen, doch wer wusste, welche Magie hier am Werk war?
Der Trompetenstoß eines Horns zerriss die Luft – keine Fanfare zu Ehren der Toten, sondern die reinen, klingenden Töne des Lebens selbst –, und Karigan spürte wieder Hoffnung in sich aufsteigen. Shawdell blickte kurz ins Tal hinab, wo fünf Kämpfer noch immer den König verteidigten. Ihre Schwerter hieben auf mehr als die doppelte Anzahl Gegner ein, und als das Horn abermals erklang, schien der Kampf auf einmal zu ruhen. Sie sah das alles durch die in Schlachtordnung aufgereihten Geister hindurch, und ihr war, als schaue sie durch einen Nebelschleier.
Neun Grüne Reiter preschten vom nördlichen Talende heran. Unverkennbar flatterte rotes Haar um das Gesicht des vordersten Reiters. Hinter ihm blies ein anderer Reiter ins Horn. Karigan seufzte leise. Irgendwie hatte sie gewusst, dass sie kommen würden!
»Eine Handvoll Grüne«, sagte Shawdell, »dürften meine Pläne nicht sonderlich stören.«
Karigan ergriff Altons Säbel und stürzte sich mit einem wütenden Knurren auf Shawdell. Er ließ seinen Bogen fallen und begegnete ihr mit dem Schwert. Als die beiden Klingen gegeneinanderkrachten, spürte Karigan die Erschütterung von den Fingerspitzen bis hinauf ins Schultergelenk. Wie töricht, dachte sie, einen Säbel gegen ein Langschwert einzusetzen. Er konterte jeden Hieb, den sie machte; seine hellblauen Augen strahlten, und seine Mundwinkel verzogen sich zum Zerrbild eines Lächelns. Es machte ihm Spaß!
Er spielte mit ihr. Er parierte jeden ihrer Schläge, ohne sich dabei richtig zu verteidigen oder zum Angriff überzugehen.
Spielerei. Er nutzte seine größere Reichweite und schnitt ihr in rascher Folge die Messingknöpfe vom Mantel. Karigan strengte sich noch mehr an, versuchte sich an alles zu erinnern, was sie gelernt hatte, doch je mehr sie sich abmühte, desto mehr hatte sie den Eindruck, dass Shawdell nur über sie lachte. Er hätte sie schon längst töten können.
Dann zerbrach der Säbel. Ungläubig starrte sie auf den abgebrochenen Stumpf.
»Diese Säbel sind einem Schwert nicht gewachsen, das vor Äonen von den Schmieden Mornhavons
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