Der magische Reiter reiter1
ruhen.
Sie leckte sich über die Lippen, von Angst und Schrecken erfüllt, und fragte sich, was die Geister von ihr erwarteten. Was konnte sie denn schon gegen dieses Wesen ausrichten, das sich schwarzer Magie bediente? Sie hatte ja noch nicht einmal ihren Säbel zur Verfügung.
Alton überwand seine Angst als Erster. Er saß hoch aufgerichtet im Sattel und sagte mit der würdevollsten Haltung, die er aufbringen konnte: »Stell deinen Angriff ein.«
Leises Gelächter drang unter der Kapuze des Schattenmanns hervor. »Was für einen hübschen Helden Ihr abgebt, Lord D’Yer.« Der Schattenmann streifte seine Kapuze zurück und enthüllte tiefgoldenes Haar, das im Licht der Sonne sein Gesicht wie einen Strahlenkranz umgab.
»Der Eleter!«, rief Karigan.
Eleter, Eleter, Eleter, brabbelten die Geister.
»Wie ich sehe, sind dir wieder die Schatten zu Hilfe gekommen, Karigan G’ladheon, doch wozu? Sie haben dich nur in meine Gewalt gebracht. Ich werde aus dir einen weiteren Sklaven machen.«
Die Geister kreischten auf wie ein Winterwind in der Urgewalt des Sturms; ihre andersweltlichen Stimmen erhoben sich zu einem Crescendo unerträglichen, durchdringenden Gezeters, und sie begannen um Karigan, Alton und den Schattenmann herumzuwirbeln, bis sie zu blendendem Weiß verschmolzen wie ein Zyklon. Je schneller sie sich drehten, desto schriller wurden ihre Stimmen, so dass sie bald die Grenze des menschlichen Hörvermögens erreichten. Alton und Karigan hielten sich die Ohren zu, und die Pferde tänzelten und verdrehten die Augen.
Der Schattenmann stand reglos da, unbeeindruckt von der Darbietung der Gespenster, und murmelte leise Worte, die man seit Hunderten von Jahren nicht mehr gehört hatte, Worte einer Anrufung des Bösen, die seit dem Ende des Langen Krieges niemand mehr ausgesprochen hatte. Und doch sprach er diese Worte mit Leichtigkeit aus.
Das Geheul der Geister erstarb schlagartig, und sie trennten
sich, fielen auseinander und ballten sich hinter Karigan und Alton wieder zusammen. Sie schienen zu warten. Worauf warteten sie?
Ein neuerliches Stöhnen erhob sich wie aus dem tiefsten Innern der Erde selbst, und die Luft rings umher hallte davon wider. Die Bäume erbebten, und ein Glühen nahm hinter dem Schattenmann Gestalt an. Der Eleter sprach wieder die grausamen Worte, und die Geister der Grünen Reiter schienen sich zu winden.
»Wovor …«, begann Alton. Ein Gespensterwind wehte heran und wirbelte sein Haar auf. »Wovor könnten Geister sich schon fürchten?«
»Vor anderen Geistern«, sagte Karigan.
Eine Schar von Toten bildete sich hinter dem Eleter, verschmolz miteinander und trennte sich wieder. Ihr Stöhnen war schlimmer als ein Klagelied, tief und schleppend und verzweifelt. Langsam wogten sie umher und gruppierten sich rings um Shawdell, um sich den Geistern der Grünen Reiter zu stellen. Sie waren jung und alt, manche in Uniform, andere in der einfachen Kleidung des gemeinen Volkes.
Karigan und Alton hoben die Hände vors Gesicht, als wollten sie die Geister abwehren, die auf sie zufluteten. Doch die Geister strichen an ihnen vorbei und zwischen ihnen hindurch. Karigan nahm die Hände wieder von den Augen, doch zu früh. Eine Erscheinung mit dem Gesicht eines mütterlichen alten Weibs ging geradewegs durch sie hindurch. Karigan spürte den Geist wie einen kalten Schauer, als beträte sie einen winterlich kühlen Raum.
Jeder von Shawdells Geistern hatte zwei schwarze Pfeile im Rücken.
Der leise Trompetenstoß eines Horns war zu vernehmen, gedämpft wie ein Widerhall aus ferner Zeit, und dann erklang das Klirren blanker Schwerter und abermals das grauenhafte tiefe Stöhnen. Die Geister waberten um sie herum wie Nebel auf einer Hügelkuppe, dem der Wind erst die eine, dann wieder eine andere Gestalt verlieh.
Shawdell stand unerschütterlich da, während ringsum die gespenstische Schlacht tobte.
Die Pferde zitterten, Schweißflocken troffen von ihren Hälsen. Sie rollten die Augen und hielten es kaum noch aus, dass die Geister sich stöhnend um sie drängten. Karigan sah, wie Alton von seinem ungesattelten Pferd glitt und grimmig den Geistern auswich, um sich vor sie und Kondor zu stellen. Stolz richtete er sich vor dem Eleter auf und zog sein Schwert. Karigan wünschte, er würde sich nicht in die Schusslinie begeben und dadurch in noch größere Gefahr bringen. Sie sprang von Kondor herunter, um sich neben ihn zu stellen und ihn zu unterstützen. Diese Schlacht mussten sie gemeinsam
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