Der magische Reiter reiter1
verstehe«, sagte er.
Marschall Martel tauchte an der Seite des Königs auf, die Miene ausdruckslos. »Ich sagte Euch doch, mein Lord, wir hätten losziehen sollen, während sie noch schlief.«
»Ich hätte darauf hören sollen«, erwiderte er.
»Vermutlich wäre sie uns gefolgt«, sagte der Marschall. »Hauptmann Mebstone meinte, das Mädchen hätte mehr Mumm als eine ganze Kompanie Soldaten, und nach allem, was ich sehe, scheint das zu stimmen.«
Karigan starrte die beiden Männer an. »Eine schöne Wertschätzung, die man mir da … «
Der König verbeugte sich vor ihr und sagte in nüchternem Ton: »Ich stehe in deiner Schuld, tapfere Lady, häufiger, als ich zählen kann. Ich wollte deine Leistungen nicht schmälern. Wenn du dich uns anschließen willst, so werde ich dir das
nicht verwehren. Doch wisse auch, dass ich dich vielleicht in den Tod führe.«
Da er seinen Stirnreif nicht trug, hatte sie fast vergessen, dass er der König war. Ebenso ernst wie er sagte sie: »Ich muss gehen.«
Der Mond hatte seinen Zenit erreicht und begann gerade wieder seinen Abstieg am Westhimmel, als König Zacharias, Karigan, Marschall Martel, die Waffe Rory und ungefähr fünfundzwanzig Kavalleristen in weitem Bogen um die Außenbezirke von Sacor herumritten, weit genug, um von den Wachen auf den Mauern weder gesehen noch gehört zu werden. Sie ritten schweigend, und sie ritten ohne Licht, abgesehen vom trüben Schein des Mondes.
Die Burg erhob sich seitlich von ihnen auf einer Anhöhe, und ihre steinerne Fassade schien sich langsam zu drehen, als sich ihr Blickwinkel beim Vorbeireiten änderte. Kleine Lichter glitzerten hier und dort und verliehen der Burg eher das Aussehen eines himmlischen Palasts der Nacht als den eines Kolosses aus Granit, den lediglich Menschen erbaut und fest im Erdreich verankert hatten.
An der Nordostseite zügelten sie ihre Pferde zu langsamerer Gangart. Der König und Rory ritten an der Spitze und besprachen sich leise miteinander.
Ein einzelner weißer Obelisk, rissig und mit gelben Flechten bedeckt, kennzeichnete die Stelle, an der die äonenalte Straße begann. Pferdehufe klackten und klapperten auf dem Granitpflaster. In den Spalten zwischen den Steinen wuchsen Gräser und Schösslinge. Eine uralte Schierlingstanne neigte sich über den Pfad und tauchte ihn in noch tiefere Dunkelheit als selbst die Nacht.
Sie gelangten an eine Steinplatte, die neben dem Pfad lag, und mit einem Mal konnte Karigan den kalten Stein an ihrem Rücken spüren, als handele es sich um die Platte im Vorbereitungsraum. Nur war diese hier mit dichtem Moos, Flechten und einer Schicht welken Laubs bedeckt. Ein Farn wuchs unter ihrem Sockel hervor.
Es war eine Sargablage, erklärte der König. Eine Möglichkeit zum Verschnaufen, für jene, die den Toten trugen, der seine letzte Ruhe in der Allee der Helden finden sollte.
Die Gruppe ritt weiter, als wären sie stumme Trauernde, bis sie zu einem hoch aufragenden Felsvorsprung kamen, über dessen Rand tropfendes Moos hing. Ein weiterer Obelisk erhob sich wie ein mahnender Finger neben einem runden Eisenportal, das in die Felswand eingelassen war.
König Zacharias wandte sich mit grimmiger Miene an seine Gefolgsleute. »Ihr folgt dem uralten Pfad, der lediglich den Toten, den Königen und jenen erlaubt ist, die sich um die Toten kümmern. Diesen Eingang haben die meisten vergessen, und seit mindestens einem Jahrhundert hat keine Menschenseele ihn mehr benutzt. Die Toten neigen leider dazu, unter ihresgleichen zu bleiben.«
Er saß eine Weile wortlos da, während Wasser, das vom Vorsprung tropfte, sich neben ihm in einer Pfütze sammelte. »Als ich noch ein Junge war, brachte meine Großmutter, Königin Isen, mich hierher, damit ich die Geschichten von Sacoridiens tapfersten Helden erfuhr. Damals erschreckte mich das, und auch jetzt ist mir nicht sehr wohl in meiner Haut. Es ist allemal beunruhigend, die eigene Gruft von innen zu sehen, während man noch lebt und atmet.«
Karigan rutschte unruhig auf Kondors Rücken hin und her. Die Nacht schien von Vorzeichen zu knistern: Der mahnende
Obelisk riet ihnen zur Umkehr, genau wie das Eisenportal mit der Abbildung Westrions.
»Ich will euch etwas sagen«, erklärte Zacharias, »nicht, um euch mit Furcht zu erfüllen, sondern weil es jenen, die hier eintreten, ohne von königlichem Geblüt oder Verwalter zu sein, nicht gestattet ist, noch einmal das Licht der lebendigen Welt zu erblicken.«
Die Kavalleristen
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