Der magische Reiter reiter1
ihrem Körper befand. Sie versuchte ihn zu belasten, stürzte jedoch mit einem Aufschrei wieder zu Boden. Viel zu plötzlich kehrte das Gefühl in ihren Fuß zurück. Abermals erhob sie sich, hüpfte diesmal auf dem linken Fuß und wagte es nicht, den rechten erneut zu belasten.
»Pferd!«
Pferd war zu sehr damit beschäftigt, um sein eigenes Leben zu kämpfen, als dass es ihr hätte helfen können. Nachdem das Wesen Karigans Gewicht los war, bewegte es sich flink hin und her und drehte sich, um seinen Gegner aufzuhalten. Die Hufe dröhnten auf dem Boden, als Pferd herumfuhr, vor dem Wesen buckelte, es dann umrundete und mit den Zähnen nach ihm schnappte. Seine Anstrengungen hätten einen Mann oder eine Frau töten können, erwiesen sich gegen die Panzerplatten der Kreatur jedoch als vergebliche Liebesmüh. Pferd zeigte erste Anzeichen von Erschöpfung; er atmete schwer, Schweißflocken tropften zu Boden, und er stolperte immer häufiger.
Karigan hüpfte davon, versuchte Abstand zu den beiden Kämpfern zu gewinnen. Wenn Pferd scheiterte, konnte nichts mehr das Wesen daran hindern, sie zu ergreifen.
Sie hüpfte und sprang, bahnte sich einen Weg durch das Dickicht und vergewisserte sich durch Blicke über die Schulter, wie es um Pferd stand. Als der Mond hinter einigen Wolken verschwand, hüllte fast greifbare Finsternis den Wald ein, und sie konnte ringsum kaum noch etwas erkennen. Vielleicht trug auch der Schlag gegen ihren Kopf dazu bei, dass die Ränder ihres Gesichtsfelds sich verdunkelten.
Und plötzlich stolperte sie in etwas Klebriges. Sie versuchte weiterzugehen, doch es haftete an ihr und zog sie zurück, legte sich um beide Beine und den größten Teil ihres Körpers. Sie wehrte sich, doch das Zeug blieb nur umso stärker haften.
Was ist das?
Der Mond lugte hinter den Wolken hervor, und sie sah die weißen, netzartigen Fasern, die an ihrem Arm und ihren Beinen klebten. Sie waren straff zwischen mehreren Bäumen aufgespannt.
O ihr Götter, ein riesiges Spinnennetz.
Ihre einzige Hoffnung war jetzt Pferd.
Irgendetwas erschütterte das Netz. Der Mond war weit genug hinter den Wolken hervorgekommen, um einen Teil der tiefen Schatten mit seinem Licht zu verjagen und jene Wesen sichtbar zu machen, die genau wie Karigan gefangen waren. Eine Hirschkuh trat um sich, versuchte sich zu befreien. Es sah so aus, als wäre sie schon geraume Zeit gefangen. Ihr Kopf hing erschöpft nach unten, und ihren Körper durchliefen flatternde Atemstöße. Vögel, Eichhörnchen, Fledermäuse, ein Waschbär und sogar ein Wolf hatten sich in dem Netz verstrickt.
Der Wolf warf den Kopf zurück und heulte, ein markerschütterndes Geräusch, das Karigan frösteln ließ. Sein Ruf wurde nicht beantwortet, und er winselte. Karigan hatte solches Geheul in frostklirrenden Winternächten gehört. Es hatte ihr eine Heidenangst eingejagt. Doch jetzt konnte sie für den Wolf lediglich Mitleid empfinden.
Hinter ihr auf dem Boden, unter einem Strauch halb verborgen, türmte sich ein Haufen elfenbeinweißer Knochen, die im düsteren Wald hell schimmerten. Neben dem Strauch lag eine Anzahl runder, faustgroßer Gegenstände im gleichen matten Silber wie die Kreatur. Bildete sie es sich nur ein, oder zitterten einige davon? Sie fuhr sich mit der freien Hand über die Augen, unsicher, ob sie ihnen trauen konnte. Ihr Kopf fühlte sich an, als bearbeite ihn jemand mit einem Hammer, und sie war völlig benommen.
Neben den kugelförmigen Gegenständen waren weitere Knochen verstreut, und sie vermutete, dass das Wesen noch längst nicht mit ihr fertig war.
Der Lärm des Kampfs zwischen Pferd und der Kreatur kam näher – das Trommeln der Hufe gegen den Rückenschild, das Knacken von Ästen, Pferds schweres Atmen, das Klacken zuschnappender Klauen … Pferd zog sich durch das Unterholz zurück, und Karigan sah, wie das Wesen ihn mit auf- und zuschnappenden Klauen auf das Netz zutrieb.
»Pferd!«, rief Karigan. »Das ist eine Falle!«
Pferd zögerte und blickte in ihre Richtung, als verstünde er plötzlich, was sie sagte. Die Kreatur schlug mit ihrem Schwanz zu und versenkte den Stachel in seinem Hals. Pferd kippte zur Seite um und rührte sich nicht mehr.
»Neeeeiiiiin!«, gellte Karigans Schrei durch den Wald.
Die Kreatur tastete Pferds Bauch mit einem Fühler ab. Als er nicht reagierte, stieß sie einen Schnalzlaut aus, der verdächtig nach Genugtuung klang. Von Pferd aus begab sie sich seitlich zum Netz und ging die Reihe ab, von der
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