Der magische Reiter reiter1
metallischen Rückenschild gepanzert war und von sechs mehrgliedrigen Beinen getragen wurde. Über den Leib des Wesens wölbte sich ein flacher Schwanz, an dessen Ende sich
ein Stachel von der Größe eines Dolches befand, aus dem Gift tropfte. Zwei schwarze Kugeln, die an der Spitze von Stielaugen saßen, glitzerten im Mondschein. Mandibeln öffneten und schlossen sich, wo sich der Mund befinden musste, und zwei schlanke Fühler tasteten vor dem Wesen den Pfad ab, als es krebsartig tiefer in die Wälder vordrang. Eine zweite Klaue hielt klickend Pferd auf Abstand.
Karigan hätte fast wieder das Bewusstsein verloren, kämpfte jedoch dagegen an. Das Vergessen, wie einladend es auch sein mochte, würde ihr nicht helfen. Stattdessen schrie sie auf.
Dann wand und krümmte sie sich und zappelte wild fauchend wie ein verängstigtes Tier in der Falle, doch die Klaue hielt sie unerbittlich fest und schloss sich sogar noch enger um ihren Knöchel, sodass sie tief einschnitt. Sie stöhnte vor Schmerzen auf. Während sie weiter über den Waldboden gezerrt wurde, setzte sie sich auf und versuchte die Riesenklaue mit den Händen zu lösen. Die Schale war so hart wie der Plattenpanzer eines Ritters, und die Klaue gab nicht nach. Ihre Zehen wurden taub. Sie sackte nach hinten, schnaufte vor Erschöpfung und ließ ihre Arme in der Waldstreu hinter sich herschleifen. Ihr Kopf hämmerte, und sie glaubte, sich übergeben zu müssen. Wohin würde das Wesen sie bringen?
Götter … Sie unterdrückte ein hilfloses Schluchzen, rang nach Luft. Ihr Herz hämmerte gegen den Brustkorb. Ruhig, ganz ruhig. Denk nach. Sie zwang sich dazu, tiefer zu atmen, längere Atemzüge zu machen, um ihre Muskeln so gut wie möglich zu entspannen, genau wie Waffenlehrer Rendel es ihr beigebracht hatte. »Der Furcht nachzugeben wäre dein Tod«, hatte er einmal gesagt. »Auf dem Schlachtfeld ist dafür kein Platz. Angst zu haben ist gesund, doch Furcht ist wie ein
Feind. « Sie holte weiter tief Luft und überlegte, wie sie sich vielleicht helfen könnte.
Ihr Kopf schlug gegen einen Stein, und ein Funkenregen explodierte vor ihren Augen. Sie stöhnte auf und befühlte ihren Hinterkopf. Als sie eine eigroße Beule – vom Sturz von Pferd, nahm sie an – ertastete, zuckte sie zusammen; die kleinere Beule daneben musste von dem Stein gerade eben stammen. Felsen und Wurzeln streiften ihren Rücken, während sie weitergezerrt wurde. Hörte dieser Albtraum denn gar nicht mehr auf? Und was konnte sie dagegen ausrichten?
Ihre Hand strich über einen weiteren Stein, und sie versuchte ihn festzuhalten, konnte ihn jedoch nicht richtig greifen. Sie tastete nach anderen Steinen, aber sie waren zu klein, um Wirkung zu erzielen, oder zu tief im Boden oder zu groß. Ihre Hand schloss sich um einen, der passend zu sein schien, und fast hätte sie ihn wieder verloren, als sie sich einen Fingernagel einriss. Doch sie ließ ihn nicht los, bis sie ihn endlich mit beiden Händen umklammerte.
Das Zielen fiel ihr nicht leicht, während sie rücklings über den Boden geschleift wurde. Mit der Kraft beider Arme schleuderte sie den Stein auf die Kreatur. Er prallte harmlos vom Rückenschild des Wesens ab und fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden. Doch jetzt hatte sie die Aufmerksamkeit des Wesens auf sich gelenkt. Es drehte seinen Scheibenkörper zu ihr um und schaute sie geradewegs an. Die Stielaugen pendelten über ihr, dann schwangen die Fühler heran und untersuchten ihre Körpermitte.
»Aufhören!«, schrie Karigan.
Die Stöße taten weh, und manchmal kitzelten sie auch. Sie packte einen der Fühler, und der andere zuckte zurück. Er fühlte sich rau und kalt an und war so dick wie ein Besenstiel.
Das Wesen hielt einen Moment inne, dann schüttelte es sie, bis sie sicher war, dass ihr Fuß sich gleich vom Knöchel lösen würde. Sie ließ den Fühler los, und Tränen des Schmerzes liefen ihr über die Wangen.
Pferd nutzte die Ablenkung und griff die Kreatur an, bäumte sich auf und hämmerte mit den Hufen auf die harte Schale ein. Geschickt wich er dem Stachel aus und mied die zuschnappende Klaue. Als er den Augen zu nahe kam, war die Kreatur erschrocken genug, um Karigans Fuß loszulassen und sich ganz auf den ärgerlichen Störenfried zu konzentrieren. Wie erstaunlich, dachte Karigan, dass Pferd nicht davongelaufen, sondern bei ihr geblieben war, um sie nach Kräften zu beschützen.
Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass sie frei war und ihr Fuß sich noch an
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