Der magische Reiter reiter1
Pferd sich versteckt hielten.
Was sie von den Gesprächen aufschnappte, war meist eher schändlich. Sie wusste nicht, ob sie froh oder bestürzt darüber sein sollte, andere Menschen auf der Straße zu sehen. Dass sie eine Botschaft über Leben und Tod bei sich trug, die ein ermordeter Grüner Reiter ihr übergeben hatte, erweckte in ihr Argwohn gegenüber allen Fremden.
Die Botschaft. Die unsagbar wichtige Botschaft. Was mochte wohl darin stehen? Sie wollte so schrecklich gern einen Blick auf den Inhalt werfen. Sie hatte ihr Leben für die Botschaft aufs Spiel gesetzt – hatte sie dann nicht ein Recht darauf, sie zu lesen, auch wenn F’ryan Coblebay es ihr untersagt hatte?
Karigan zügelte Pferd, ungeachtet des Mückenschwarms,
der um ihren Kopf herumschwirrte. Sie schnallte die Botentasche ab und zog den Umschlag heraus. »König Zacharias« stand in schludrigen, ungleichmäßigen Buchstaben darauf. Sie krauste die Stirn. Sie ist nicht für mich.
Sie drehte den Umschlag um und warf einen Blick auf das Wachssiegel. Es war trotz der beschwerlichen Reise unversehrt geblieben. Schweißperlen rannen ihre Stirn hinunter und tropften auf den Umschlag. Sie wischte sie mit dem Ärmel vorsichtig ab.
Ich könnte sagen, es sei unterwegs kaputtgegangen.
Vielleicht konnte sie die Spitze des Säbels darunterschieben und dann, nachdem sie die Botschaft gelesen hatte, das Wachs erwärmen und den Umschlag wieder versiegeln. Doch das würde den makellosen Abdruck des geflügelten Pferds zerstören, und es wäre offensichtlich, dass sie daran herumgepfuscht hatte.
Es gibt nur eine Möglichkeit, entschied sie.
Sie hielt das Wachssiegel zwischen beiden Daumen, bereit, es aufzubrechen, ein Auge zugekniffen und mit einer Grimasse, als wolle sie im Grunde nicht, dass es geschehe. Dann wurde Pferd unruhig und bewegte ruckartig die Ohren vor und zurück. Stimmen, kaum hörbar, drangen von hinten heran. Sie seufzte, eigentlich erleichtert über die Störung, und ließ die unversehrte Botschaft wieder in die Tasche gleiten.
Leise lenkte sie Pferd in die Wälder und band ihn weit abseits der Straße an. Danach kroch sie wieder zur Straße zurück und kauerte sich dicht hinter einen Felsen. Zwei Personen zu Fuß, ein Mann und eine Frau, kamen in Sicht. Sie bewegten sich geschmeidig wie Katzen, und die Leichtigkeit ihrer Bewegungen schien unvereinbar zu sein mit den mächtigen
Schultern und Schwertarmen und dem Spiel ihrer Beinmuskeln.
Sie waren beide in die gleichen, einfachen Lederwämser gekleidet. Graue Mäntel, geflickt und dreckig von der Reise, hingen von ihren Schultern. Sie trugen keine Abzeichen, die sie als Soldaten oder Söldner ausgewiesen hätten.
Banditen oder Gesetzlose, dachte Karigan. Arme Banditen, wenn es denn welche sind.
Ihre Kleidung mochte abgewetzt und zerschlissen sein, doch die Flicken waren sorgfältig aufgenäht, das Leder geölt. Lange Schwerter schlugen ihnen beim Gehen an die Hüften.
Ihr armseliger Zustand hatte sicher wenig mit ihren Fähigkeiten als Kämpfer zu tun. Sie enthielten sich überflüssiger Gesten, obwohl sie in ein Gespräch vertieft zu sein schienen … in eine leidenschaftlich geführte, hitzige Debatte.
»Und ich sage dir, Jendara«, beteuerte der Mann, »ich habe ein Pferd gerochen.«
Seine Partnerin blickte ihn von der Seite an. Rotbraune Locken wallten ihr den Rücken hinunter. »Du hast nur Hunger«, sagte sie. »Das bildest du dir ein.«
»Und was ist mit den Pferdeäpfeln, an denen wir vorhin vorbeigekommen sind?«
»Schau, viele Reisende benutzen diese Straße. Woher willst du wissen, dass dieser Haufen Pferdemist ausgerechnet zu der Person gehört, die wir suchen?«
Das Gesicht des Mannes war grimmig. Unter dem hellen Stoppelbart waren deutlich die Linien der Erschöpfung zu sehen. »Ich habe diese Lauferei satt. Wir sollten bei unserem Herrn sein.«
Das Paar schritt an Karigans Versteck vorbei und ging weiter.
»Mir passt das auch nicht«, sagte die Frau namens Jendara. »Doch wir müssen tun, was man uns sagt.«
»Geister und Pferde jagen. Darauf haben wir keinen Eid geschworen.«
»Je schneller wir es hinter uns bringen, desto eher können wir uns wieder unserer wahren Aufgabe widmen.«
Dann waren sie fort. Karigan stand auf und strich sich Fichtennadeln von der Hose. Die Gesprächsfetzen hatten sie davon überzeugt, dass sie den beiden besser nicht auf der Straße begegnen sollte. Hatten sie nicht erwähnt, dass sie Jagd auf Geister und Pferde machten? Sie
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